Zwischenlager Gorleben
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Brennstäbe und hochradioaktive Abfälle im Zwischenlager in Gorleben

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Endlager für Atommüll: Der mühsame Weg der Bürgerbeteiligung

Ein Atommüllendlager ist eine Generationenaufgabe. Gegen den Widerstand der Bevölkerung wird es nicht gehen. Deshalb soll das Suchverfahren möglichst transparent sein. Aber die Bürgerbeteiligung stößt auf viele Hindernisse. Manche sind ganz banal.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Die Suche nach einem Standort für ein Atommüll-Endlager hat vor vier Jahren noch einmal ganz von vorn begonnen. Es sollte ein Verfahren nach streng wissenschaftlichen Kriterien und mit maximaler Bürgerbeteiligung werden. Damit das Ergebnis am Ende allgemein akzeptiert wird - anders als beim inzwischen gekippten Endlagerstandort Gorleben in Niedersachsen. Es ist ein völlig neuer Weg für so ein Jahrhundertprojekt, der erst neu gedacht werden muss.

Bürgerbeteiligung: Holpriger Beginn – auch wegen Corona

Als zentrales Forum für die Bürgerbeteiligung wurde die "Fachkonferenz Teilgebiete" eingerichtet, konzipiert für 1.000 Teilnehmer. Wegen Corona findet das Treffen online statt: Fast 500 Interessierte nehmen Anfang August am letzten Termin der Fachkonferenz teil, die meisten sind online zugeschaltet, Vertreter von Kommunen, Wissenschaftler, Beobachter aus den beteiligten Behörden sowie einfache Bürger und Bürgerinnen. Die Technik machte bei diesen Online-Treffen immer wieder Probleme. Beim letzten Termin der Fachkonferenz immerhin habe die besser funktioniert, berichtet Lukas Fachtan, Vertreter der jungen Generation bei der Fachkonferenz. Nur: Jetzt, wo die Technik einigermaßen läuft, ist das Mandat der Fachkonferenz Teilgebiete auch schon zu Ende gegangen. Was ein weiteres, großes Problem darstellt. Denn: Nach dem Standortauswahlgesetz ist diese Fachkonferenz das zentrale und einzige Forum für die Bürgerbeteiligung in der ersten Phase der Endlagersuche.

Kein Ergebnis – wegen ungenauer Arbeitsgrundlagen?

Die Aufgabe der "Fachkonferenz Teilgebiet" war es, den "Zwischenbericht Teilgebiete" zu bewerten. Dieser sollte eine Liste der prinzipiell geeigneten Gebiete für ein Endlager enthalten. Nur sah die völlig anders aus als erwartet. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) führte darin nämlich mehr oder weniger alle Vorkommen von Granit, Salz und Tongestein in Deutschland auf, den drei so genannten Wirtsgesteinen, die für die Endlagersuche in Frage kommen.

Die Hälfte Deutschlands ist prinzipiell geeignet

Damit sind in dem Zwischenbericht alles in allem 90 teils riesige Areale aufgeführt, die zusammen mehr als 50 Prozent Deutschlands ausmachen. Dafür hätte die extra neu geschaffene BGE nicht drei Jahre brauchen müssen, so Bayerns Umweltminister Glauber von den Freien Wählern im September 2020: "Das kann auch ein Geologie-Student im dritten Semester so ausweisen, was für geologische Vorkommnisse in Deutschland vorzufinden sind. Das heißt: Zielgerichtetes Vorgehen sieht aus unserer Sicht ganz anders aus."

Ohne Betroffenheit kein Interesse an Beteiligung

Im Fichtelgebirge und im Bayerischen Wald schauen viele Menschen mit besonderer Aufmerksamkeit auf das Thema Endlagersuche. Beide Regionen waren immer wieder als möglicher Standort im Gespräch. Jörg Hacker, Geschäftsführer des Naturparks Fichtelgebirge, hatte sich deshalb von Anfang an aktiv in die Fachkonferenz eingebracht. Im Nachhinein ist er enttäuscht: "Im Endeffekt hat natürlich dieser Riesen-Zwischenbericht unser ganzes Verfahren gesprengt. Dadurch ist ja eben der Punkt entstanden mit dieser Beteiligungslücke."

Was Hacker als "Beteiligungslücke" bezeichnet, beschreibt auch Lukas Fachtan, Vertreter der jungen Generation bei der "Fachkonferenz Teilgebiete": "Viele Menschen denken ja, bei mir wird es schon nicht sein. Aber es kann eben bei jedem Einzelnen sein. Und erst wenn es Eingrenzung gibt auf Gebiete, dann wird der große Schock in der Gesellschaft entstehen. Und diese Betroffenheit ist jetzt noch nicht da."

Verfahren der Bürgerbeteiligung soll überprüft werden

Die heiße Phase bei der Endlagersuche kommt jetzt noch: wenn die Suche auf nur noch eine Handvoll so genannter Standortregionen eingegrenzt wird. Wenn die feststehen, werden vor Ort so genannte Regionalkonferenzen einberufen. Aber bis dahin sieht das Standortauswahlgesetz keine formelle Beteiligung der Bürger mehr vor. Dabei werden in diesem Zeitraum von mindestens drei bis vier Jahren die Kontroversen beginnen.

Im Prinzip sind sich alle einig: Bürgerinnen und Bürger, Verbände und Kommunen sollen auch in den nächsten Jahren mitreden dürfen. Nur wie genau, das ist noch nicht klar. Die Teilnehmer der Fachkonferenz hatten beschlossen, im Prinzip unverändert weiterzuarbeiten. Als permanentes Fachforum, das zwei Mal jährlich tagt und die Arbeit der Bundesgesellschaft für Endlagerung kontrolliert. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung stimmte dem so jedoch nicht zu. Es schlägt stattdessen vor, dass ein kleines Arbeitsteam mit Vertretern der Zivilgesellschaft permanent mit den Behörden zusammenarbeitet, um eine „Kultur der Kooperation“ zu fördern. Bei diesem Vorschlag fürchten Kritiker aus der Anti-Atom-Bewegung eine Vereinnahmung durch die staatlichen Stellen.

Bundesamt bietet Kompromiss an

Eine Zeit lang sah es so aus, als könnte alles im Streit enden. Doch jetzt zeichnet sich eine Lösung ab. Nämlich: die beiden Modelle zur Bürgerbeteiligung, mit den Überschriften „Kontrolle“ und „Mitverantwortung“, einfach zu kombinieren. Die zuständige Abteilungsleiterin des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Ina Stelljes, hat im Bayerischen Rundfunk angeboten: Wir richten das Kontrollgremium ein, wie von der Fachkonferenz beschlossen. Und die Kooperationsräte, die das Bundesamt selbst ins Spiel gebracht hat, nur zusätzlich.

Bilanz fällt durchwachsen aus

Am Ende hat die "Fachkonferenz Teilgebiete" im letzten Dreivierteljahr sehr viel Zeit damit verbracht, sich selbst zu organisieren, und sicherzustellen, wie es hinterher organisatorisch weitergeht.

Immerhin: Die BGE hat von den Bürgerinnen und Bürgern viele Hausaufgaben bekommen. Für das Fichtelgebirge etwa hat sie versprochen nachzuarbeiten und bessere Daten zu liefern. Jörg Hacker vom Organisationsteam der Fachkonferenzen zieht dann doch ein positives Fazit: "Es hat sich gelohnt. Und es war wichtig. Und es zeigt auch, was immer wieder bezweifelt wurde: Kann die Zivilgesellschaft ein solches Verfahren, das so fachlich tiefes Einarbeiten erfordert, begleiten - sie kann es!"

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