Rapa Nui, wie die Osterinsel auf polynesisch heißt, liegt mitten im Pazifik, auf halber Strecke zwischen Südamerika und Tahiti. Sie gilt als die einsamste Insel der Welt. Die nächsten Nachbarn sind 2.000 Kilometer entfernt. 1888 annektiert Chile das entlegene Eiland mitten im Pazifik. Im gleichen Jahr kommt 16.000 Kilometer weiter östlich im bayerischen Dillingen Franz Anton Englert auf die Welt. Mit 24 Jahren wird er zum Priester geweiht und nimmt den Namen Sebastian an.
Ein bayerisches Sprachtalent im fernen Pazifik
Der Kapuzinerpater geht als Missionar nach Chile, 1935 kommt er auf die Osterinsel. Schnell lebt er sich auf der polynesischen Insel ein. Vor allem sein phänomenales Sprachtalent beeindruckt die Menschen.
"Er war polyglott, beherrschte 13 Sprachen, darunter auch Rapa Nui. Er predigte auf Rapa Nui, nahm den Leuten die Beichte in ihrer Sprache ab. Bis heute hat es hier auf der Insel keinen anderen Priester gegeben, der das konnte." Enrique Pakarati, Ziehsohn des Paters
Der tiefgläubige Pater beeindruckt die Inselbevölkerung
Enrique Pakarati dürfte die Person auf der Osterinsel sein, die Sebastian Englert am besten kennengelernt hat. Der kleine Enrique wuchs in einer kinderreichen Familie auf, die mit seiner Erziehung überfordert war. Kurzerhand übernimmt der Kapuzinerpater daraufhin die Erziehung des Jungen, und holt ihn zu sich ins Pfarrhaus. Acht Jahre kümmert sich Sebastian Englert um Enrique Pakarati. Der erlebt den bayerischen Pater als tiefgläubigen Menschen, der immer ein offenes Ohr für die Insel und ihre Bewohner hat.
"Er war zuallererst eine Person, die tief im Glauben verwurzelt war. Und er sah es als seine Aufgabe an, mit den älteren Einwohnern zu reden, ihre Geschichten und Legenden aufzuschreiben, damit sie der Nachwelt nicht verloren gehen." Enrique Pakarati, Ziehsohn des Paters
Die Osterinsel als Lebensaufgabe des Paters
Pater Sebastian Englert setzt sich als Seelsorger, Lehrer, Sprachwissenschaftler, Historiker und auch als Archäologe für die Insel ein. In den 1960er Jahren soll er im Auftrag des chilenischen Militärs die archäologischen Schätze der Insel inventarisieren: Die Moai, jene rätselhaften Steinkolosse, für die die Osterinsel weltberühmt ist. In einem Vortrag in Chiles Hauptstadt Santiago erläutert er den Militärs die Details der Steinkolosse:
"Da es Steinstatuen in verschiedenen Stadien ihrer Ausführung gibt, kennen wir die Arbeitsweise der Künstler. Sie wählten erst einen geeigneten Platz im Steinbruch aus, bearbeiteten zunächst den Kopf, dann den Rumpf und die äußeren Gliedmaßen, und erst am Schluss lösten sie den Rücken vom Felsen. Bei einem Moai sieht man perfekt wie er Stück um Stück vom Felsen gearbeitet wurde. Er ist fast vollständig fertiggestellt. Nur an zwei kleinen Stellen hängt er noch am Stein. Unter dem Nacken und an der Taille." Pater Sebastian Englert
Die Moai-Steinkolosse tragen Englerts "Handschrift"
Wissenschaftler wie der Norweger Thor Heyerdahl profitieren bei ihren Forschungsreisen auf die Osterinsel von den Erkenntnissen des Paters. Das hat sich bis heute nicht geändert. Wer die Moai genau untersucht, stellt fest, dass sie an der Rückseite nummeriert sind. Eine Nummerierung, die auf Pater Sebastian Englert zurückgeht. Thor Heyerdahl hat bis zuletzt mit Hochachtung von dem bayerischen Kapuzinerpater gesprochen. Er bezeichnete ihn als den "ungekrönten König der Osterinsel".
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