Ein Lamborghini in der Münchner Innenstadt
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Durch Corona-Krise: Reiche immer reicher, Arme immer ärmer

Seit der Corona-Krise geht die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander. Während manche ihr Vermögen enorm steigern konnten, kämpfen andere ums Überleben. Das BR-Politikmagazin Kontrovers über die Gründe und den neuen Existenzkampf.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Seit Jahren schon geht die Schere zwischen Armen und Reichen in Deutschland immer weiter auf. Die Corona-Krise hat das nun nochmals befeuert: Während die einen immer ärmer werden, werden die anderen immer reicher: 69.000 neue Millionäre gab es in Deutschland im Corona-Jahr 2020. Wie haben sie es geschafft, ihr Vermögen binnen so kurzer Zeit auszubauen?

Suche nach den Gründen

Auf der Maximilianstraße in München ist Geld so präsent wie an wenigen Orten in Bayern. Sieht man die vielen teuren und falsch geparkten Autos merkt man: Finanzielle Sorgen müssen sich die Besitzer sicher nicht machen. Die Gespräche mit Passanten zeigen: Viele sind unbesorgt, haben sogar in der Krise profitiert. Es gebe immer Menschen, die Glück gehabt hätten und aber vielleicht auch hart dafür gearbeitet hätten.

So hat auch er es geschafft, erzählt uns ein Lamborghini-Fahrer. Er arbeite mit künstlicher Intelligenz, sei nicht von den Problemen getroffen gewesen, die andere Firmen hatten. Wie viel Geld er insgesamt besitzt, möchte er nicht sagen, auch nicht seinen Namen nennen. Aber er nimmt uns mit auf eine Spritztour in seinem Lamborghini. Das Geld habe er sich hart erarbeitet, darum würde er es auch genießen.

Reich in der Krise - nur durch harte Arbeit?

Ist es tatsächlich harte Arbeit allein, die zu Reichtum führt? Vor allem in den letzten Monaten? Eine Erfahrung, die die Nürnberger Pilates-Lehrerin Katharina Weißbarth trotz eines Arbeitstages von 16 Stunden nicht teilen kann. Vor der Corona-Krise hatte sie ein gut laufendes Pilates-Studio – heute muss sie um ihre Existenz kämpfen. Das Studio musste sie aufgeben. Um überhaupt Pilates-Stunden geben zu können, mietet sie inzwischen stundenweise einen Raum an und bietet Hybrid-Pilates an: Ein Teil der Kunden ist vor Ort, der andere per Internet zugeschaltet. Die Bilanz ist bislang ernüchternd.

Katharina Weißbarth arbeitet viel - verdient aber nichts. Im Moment arbeitet sie vor allem Gutscheine ab, die sie verkauft hat, um den Herbst zu überstehen. Ein paar Wochen Puffer - auf Kredit. Ihrem Lebensgefährten - einem freiberuflichen Grafiker - sind durch die Corona-Krise ebenfalls die Einnahmen weggebrochen. Gemeinsam haben sie zwei Kinder. Ihre finanzielle Situation ist für die Familie mehr als belastend.

"Es geht an die Existenz. Es geht … es geht an die Nerven, weil man permanent diesen Druck hat, dass man Familie hat. Also man muss hier was machen. Man muss ja irgendwie für die Kinder da sein. Und ja, umsonst ist halt nix." Thorsten Moser, Grafiker
  • Zum Artikel "Caritas: Soziale Ungleichheit hat sich in der Krise verschärft"

Der Neubeginn ist eine Minusrechnung

Die Miete für den Raum, den Katharina Weißbarth jetzt stundenweise bucht, beträgt 25 Euro pro Stunde. Ihre Kunden zahlen für eine Stunde Pilates 12 Euro. Heute hat sie nur zwei Teilnehmer: Damit erreicht sie nicht einmal die Mietkosten für diese Stunde, geschweige denn einen Lohn für ihre Arbeit. Ein Minusgeschäft für Katharina Weißbarth. Ihre Hoffnung setzt sie auf mehr Kunden, doch die Verzweiflung ist groß, denn der Ausgang bleibt ungewiss. Sie arbeitet hart, verdient aber quasi nichts. Fehlt ihr dann einfach das Glück? Oder arbeitet sie - im Gegensatz zu den Vermögenden - nicht hart genug?

Mit Glück und harter Arbeit zu Wohlstand?

Professor Michael Hartmann beschäftigt sich seit gut 30 Jahren mit Personen, die in den Machtpositionen der Gesellschaft sitzen. Laut dem Eliten-Forscher haben die zehn reichsten Deutschen allein seit Mitte 2019 einen Vermögenszuwachs von fast 40 Prozent gehabt.

"Dass die das durch harte Arbeit verdient haben, sagen alle. Und das ist ja auch nicht völlig falsch, weil die arbeiten natürlich in der Regel schon 70, 80 Stunden die Woche. Aber das allein erklärt nicht die Vermögen, die sie haben." Prof. Michael Hartmann, Elitenforscher

Wer hat, dem wird gegeben

Wir treffen einen Millionär, der bereit ist, über sein Kapital zu sprechen. Antonis Schwarz hat Millionen aus einem Pharma-Vermögen geerbt. Auch er ist durch die Corona-Krise noch reicher geworden. Vor allem das Aktienvermögen sei gestiegen - durch die Notenbankpolitik, wie er sagt:

"Die EZB hat halt, um Geld und Liquidität ins System zu bringen, Unternehmensanleihen gekauft von Großunternehmen natürlich. Und so haben eben überproportional die Aktionäre von börsennotierten Unternehmen profitiert." Antonis Schwarz, Erbe des Pharma-Konzerns Schwarz

Politik reguliert nicht

So besitzt ein Prozent der Deutschen mehr als 35 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland. Eine Regulierung vonseiten der Politik sieht der Eliten-Forscher Professor Michael Hartmann jedoch nicht kommen - obwohl gerade im Wahljahr viele Parteien genau das versprechen:

"Es gibt bei den Parteien, die die Regierung gebildet haben in den letzten zwei Jahrzehnten und auch die nächste bilden werden, keine einzige, die das ernsthaft angehen wird. Das steht dann immer im Wahlprogramm. Also bei den Grünen steht's die letzten Male drin. Bei der SPD auch - aber wenn man dann an der Regierung ist, ist das alles vorbei." Prof. Michael Hartmann, Elitenforscher

Millionärs-Initiative will stärker besteuert werden

Darum hat sich der Millionär Antonis Schwarz der Initiative "Tax me now" angeschlossen: Einer Gruppe von Millionären, die freiwillig mehr Steuern bezahlen wollen. Schwarz findet, es fehlt an Steuergerechtigkeit: "Je größer ihr Vermögen, desto besser können sie Steuern optimieren. Wir haben hier in Deutschland de facto eigentlich eine Steueroase für Superreiche." Darum fordert er - wie die anderen Mitglieder der Millionärs-Initiative - eine Vermögenssteuer, höhere Erbschaftssteuern und einen stärkeren Kampf gegen Steuervermeidung.

Den "Tax me now"-Ansatz teilen viele andere Vermögende jedoch nicht, wie eine Umfrage auf der Münchner Maximiliansstraße zeigt: Sie wollen behalten, was sie sich in ihren Augen hart erarbeitet haben und sehen eine höhere Besteuerung für ihr Vermögen eher als Strafe an.

Viele Verlierer in der Corona-Krise

Tatsächlich ist die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf, beobachtet der Elitenforscher Prof. Michael Hartmann. Während die sowieso schon Reichen durch die Krise profitiert haben, haben auf der anderen Seite viele verloren:

"Wenn man jetzt zum Beispiel sich den großen Bereich „Kulturschaffende“ anguckt, wo es ja sehr viele Freiberufler gibt: die sind weitgehend hängengelassen worden. Dasselbe im Niedriglohnsektor und die Minijobber." Prof. Michael Hartmann, Elitenforscher

112.000 Freiberufler und Selbstständige haben nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit seit April 2020 Grundsicherung wegen der Corona-Krise beantragt. Katharina Weißbarth und ihr Lebensgefährte sind nur zwei von ihnen: Harte Arbeit allein hat nicht ausgereicht.

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