Extremes Niedrigwasser des Po im vergangenen Sommer in Italien
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Extremes Niedrigwasser des Po im vergangenen Sommer in Italien

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Zu wenig Regen und marode Leitungen: Dürre-Alarm in Norditalien

In manchen Gegenden Italiens ist 60 Prozent weniger Regen gefallen als üblich. Bauern, Fischer, Politiker - sie alle machen sich jetzt Sorgen wegen der Dürre. Und dann muss auch noch dringend das marode Trinkwassernetz in Italien repariert werden.

Am Delta des Po, des größten Flusses Italiens, machen sie sich schon jetzt große Sorgen. In dem Gebiet, das zu Venetien gehört und östlich von Ferrara liegt, wachsen die berühmten Vongole, die Venusmuscheln. Die geringen Niederschläge wirken sich negativ auf die Muscheln aus, meint der Fischer Paolo Bergantin. Denn wegen der Trockenheit fließt das Meerwasser flussaufwärts. Deshalb würden die Lagunen salziger und es gebe weniger Nahrung im Wasser. Die Muscheln wachsen nicht mehr so, wie sie sollten.

Lange Zeit herrschte in dem Delta ein sensibles Gleichgewicht aus salzigem Meerwasser und dem Süßwasser des Flusses. Doch der Po trocknet aus und die Adria dringt immer weiter vor, im vergangenen Jahr machte dieser sogenannte Salzkeil über 30 Kilometer aus – ein Rekordwert. Die Erträge sanken. Der Präsident vom örtlichen Fischerkonsortium, Luigino Marchesini rechnet vor: "In den vergangenen zwei, drei Jahren haben wir bei den Venus-Muscheln einen drastischen Rückgang gehabt. Früher waren es rund 90.000 Tonnen pro Jahr, jetzt sind es etwa 50.000 bis 55.000 Tonnen".

Gefährlich niedrige Pegelstände

Auch der Anbau von Reis ist gefährdet, ebenso von Obst, Gemüse, Getreide. Die meiste Produktion des Landes gibt es in der Po-Ebene. Doch in diesem Winter hat es 60 Prozent weniger geregnet als üblich. Weiter nördlich, in den Alpen, hat es etwa um die Hälfte weniger geschneit als sonst, deshalb konnten sich auch nicht die Wasserspeicher füllen.

Am Gardasee, der wichtigsten Wasserreserve des Landes, sind so früh wie nie zuvor Maßnahmen zum Wassersparen veranlasst worden. Der Abfluss in den Fluss Mincio wurde auf das gesetzliche Minimum gedrosselt, die Zufuhr für einige Kanäle ist zurückgefahren worden. So soll das Wasser für den Sommer aufgespart werden: für den Tourismus am See, für die Fischerei, für die künstliche Bewässerung.

An anderen Seen wie dem Lago Maggiore oder dem Comer See sind die Pegelstände ebenso gefährlich niedrig. Ettore Prandini, der Präsident des Landwirtschaftsverbandes Coldiretti fordert ein Eingreifen. Zum einen brauche es kurzfristige Maßnahmen, zum anderen bestehe ein großer Bedarf an der notwendigen Infrastruktur, um Regenwasser aufzufangen. Man müsse, so meint Prandini, von 11 Prozent heute auf mindestens 50 Prozent kommen.

Umweltschützer wollen Wasserverbrauch drosseln

Die italienische Regierung hat bereits beschlossen, einen Sonderkommissar einzusetzen. Daneben wird an einem Notfallplan gearbeitet, mit dem Rom und die Regionen die Dürre-Krise meistern wollen. Auch eine Kampagne soll es geben, um die Menschen im Land für das Thema Wasserknappheit zu sensibilisieren.

Nach Ansicht von Andrea Minutolo von der Umweltschutzorganisation Legambiente muss der Wasserverbrauch sofort eingeschränkt werden: "In diesen kommenden Monaten müssen wir drastisch eingreifen und das Wasser rationieren, sowohl im privaten Bereich als auch in der Landwirtschaft, wo im Mai und im Juni ja noch viel mehr gebraucht wird."

Langfristig müsse es eine nationale Wasserstrategie geben, die zum Ziel hat, das Grundwasser anzureichern. Die Umweltschützer fordern, dass die kreislauforientierte Wasserwirtschaft gefördert wird. Auch das Wasserleitungsnetz muss in Italien saniert werden, allein durch undichte Leitungen gehen rund 40 Prozent des Trinkwassers verloren. Die Vorgängerregierung unter Ministerpräsident Draghi hatte dafür bereits ein Vier-Milliarden-Programm verabschiedet.

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