"Mit dem heutigen Abend endet zugleich unsere Zusammenarbeit mit der CDU und der CSU in der Großen Koalition!" Martin Schulz am 24. September, dem Wahlabend der Bundestagswahl
Es war der einzige Jubel, den SPD-Chef Martin Schulz im Willy-Brandt-Haus an diesem Wahlabend auslösen konnte. Denn mehr Grund zur Freude gab es am 24. September um 18:03 Uhr nun wirklich nicht. Die SPD, nochmal geschrumpft. Auf 20,5 Prozent. Schlimmer geht's nimmer, das hatten die Sozialdemokraten schon nach der vorletzten Großen Koalition 2009 gedacht. Die 23 Prozent hatten sich tief ins sozialdemokratische Herz gebohrt, aber jetzt geht die Wunde noch tiefer.
Konsenssuppe GroKo
"Ich glaube aber eben, dass die Große Koalition auch dazu führt, dass nicht so erkennbar ist, wer hat jetzt was durchgesetzt, wofür steht die SPD, wofür steht die Union? Und die Große Koalition wurde auch wahrgenommen als so ein bisschen Konsenssuppe. Auch deshalb glaube ich, ist es wichtig, dass wir wieder einen größeren Richtungsstreit auch zwischen den beiden Volksparteien haben. Damit wieder wahrnehmbarer ist, wer wofür steht." Johanna Ueckermann, ehemalige Juso-Chefin
Die ehemalige Juso-Chefin Johanna Ueckermann ist überzeugt: Eine Große Koalition schadet der SPD. Dabei haben die Sozialdemokraten doch thematisch viel erreicht. Gerade zu Beginn der zweiten Groko 2013 konnte die SPD gewaltig punkten. Der damalige Fraktionschef Thomas Oppermann war zur Zwischenbilanz 2015 auch ganz stolz.
"Wir sind nach wie vor die bestimmende Kraft in dieser Regierung. Wir haben sehr viele schöne Treffer erzielt: BaföG, Frauenquote, Mindestlohn, Elterngeld Plus." Thomas Oppermann, damaliger Fraktionschef der SPD
Ist Merkel schuld am Schrumpfen der GroKo?
Und die Treffer wurden noch mehr: die Rente mit 63 und ganz zum Schluss, im Sommer 2017, sogar noch die Ehe für alle. Zugegeben, gegen den Willen der Mehrheit in der Union, aber rein formal beschlossen in der Zeit der Großen Koalition. Das bleibt übrig. Aber nicht auf der Haben-Seite der SPD, sondern - zum Bedauern von Martin Schulz - auf der Haben-Seite von Angela Merkel:
"Irgendjemand hat sie als Ideenstaubsauger in seinem Kommentar bezeichnet. Das fand ich ganz nett." Martin Schulz
Ist wirklich die Kanzlerin schuld, wenn die SPD von Groko zu Groko weiter schrumpft? Die Kanzlerin kriegt sie alle klein, könnte man fast sagen. Frisst Angela Merkel Koalitionspartner auf?
"Der Eindruck könnte entstehen. Es ist offensichtlich sehr schwierig, innerhalb der Großen Koalition mit Merkel an der Spitze ein Eigenprofil zu entwickeln. Das ist ja nicht nur der SPD schlecht bekommen. Die FDP hat es ja noch viel schlimmer erwischt. Es ist nicht ganz einfach, aber es ist nicht unmöglich." Richard Hilmer, Wahlforscher
Wahlforscher Richard Hilmer aber ist überzeugt, die SPD hatte ihr Profil. Gerade zu Beginn der Großen Koalition. Dann aber haben die Sozialdemokraten Merkel regieren lassen - die umarmt ihre Koalitionspartner zu Tode, und die freuen sich sogar noch darüber:
"Immerhin gelte ich seit der letzten Großen Koalition in der SPD als Vorsitzender des sozialdemokratischen Fanclubs von Angela Merkel." Sigmar Gabriel, Vize-Kanzler im Kabinett Merkel
Der Angela-Merkel-Fanclub mit dem Vorsitzenden Sigmar Gabriel ist nicht mehr so groß. Ein Fanclub ist die SPD trotzdem noch. Zumindest teilweise. Denn sogar die Merkel-Kritiker wissen, was sie an dieser Union haben. Nie waren mit ihr mehr sozialdemokratische Wünsche umzusetzen als mit dieser CDU und CSU.
SPD muss Erfolge besser verkaufen
Apropos Christsoziale: Die Themen vergeigt in der letzten Legislatur hat eigentlich die CSU. Das Betreuungsgeld kippte das Bundesverfassungsgericht, die Maut kommt nun in Schlangenlinien daher, nachdem sie von der EU-Kommission schon so gut wie ausgebremst war. Zwei Schlappen, die die CSU dennoch niemals als solche verkaufen würde. Und vielleicht ist das der Unterschied zur SPD.
"Ja, man muss drüber nachdenken, wie wir als SPD unsere Erfolge besser kommunizieren. Die SPD hat daraus gelernt. Wir müssen zugespitzter werden, wir müssen klarer werden. Wir müssen auch besser kommunizieren, wofür wir stehen." Johanna Ueckermann, ehemalige Juso-Chefin
Aber das geht laut Ex-Juso-Chefin Ueckermann jetzt nur in der Opposition. Muss nicht sein, widerspricht der Wahlforscher. Richard Hilmer ist sicher: Diesmal könnte die SPD wirklich von einer Groko profitieren.
"Also ich glaube, dass es diesmal sogar sehr gut möglich ist. Die SPD muss sich halt auf die Erwartungen ihrer Wähler konzentrieren." Richard Hilmer, Wahlforscher
Laut Hilmer wollen die SPD-Wähler über Altersarmut, steigende Mieten und marode Schulen sprechen. Die Planungen im Willy-Brandt Haus aber sehen anders aus. Die SPD will jetzt die Themen Europa und Digitalisierung nach vorn bringen.