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Vor der Wahl in Italien

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Rechte im Aufwind: Die Qual der Wahl in Italien

Eigentlich ist das eine ganz normale Wahl, nach dem Ende der Legislaturperiode. Aber was ist im politischen Italien schon normal? Eine schwere Entscheidung: für die allermeisten ist diese Wahl eine große Wundertüte. Von Jan-Christoph Kitzler

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Das Mitte-Rechts-Lager, das Silvio Berlusconi zusammengebracht hat, kam in den letzten Umfragen einer Regierungsmehrheit am nächsten, aber ob es am Ende reicht, ist äußerst ungewiss. Und auch sonst bleibt für die Wähler vieles unklar: Auf den Plakaten von Silvio Berlusconis Forza Italia zum Beispiel steht “Berlusconi Presidente”, obwohl er als verurteilter Steuerhinterzieher bis Ende 2019 von allen politischen Ämtern ausgeschlossen ist, also auch nicht “Presidente”, also Ministerpräsident werden kann. Das hielt ihn nicht davon ab, diverse Wohltaten zu versprechen: eine Flattax zum Beispiel, die Abschaffnung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, 1.000 Euro monatlich für Rentner, Arme, Mütter. Er zog wie immer über den Staat und die Politik her. Zur Erinnerung: kein Ministerpräsident hat nach dem 2. Weltkrieg so lange regiert wie er. Den Job als Regierungschef müsste diesmal für Berlusconi ein anderer machen, vielleicht sein alter Weggefährte Antonio Tajani, der zur Zeit Präsident des Europaparlament ist. Aber sicher ist: der 81jährige Berlusconi wird im Hintergrund die Strippen ziehen, irgendwie.

Starker Rechtsruck in Italien

Bei Matteo Salvini können sich die Wähler immerhin sicher sein, dass er Regierungschef wird, sollte seine Lega Nord die stärkste Partei des Mitte-Rechts-Bündnisses werden. Damit das klappt, hat er das “Nord” kurzerhand gestrichen. Ausgerechnet die Partei, die jahrelang gegen den Süden hetzte und die Abspaltung des Nordens forderte, will jetzt ganz Italien erobern. Äußerst fraglich ist, ob viele Wähler im Süden diesen Kurs mitgehen. Trotzdem könnte Salvini am Ende zwischen 13 und 15 Prozent schaffen. So groß ist das Potential der Wähler, die auf sein “Italien zuerst” anspringen, die seine Drohung, Migranten massenhaft abzuschieben umgesetzt sehen wollen. Mit an Bord in diesem Bündnis sind auch die “Fratelli d’Italia”, die im Parteilogo immer noch die Flamme in den italienischen Nationalfarben führen, die für das ewige Gedenken an Benito Mussolini steht. Mitte-rechts ist in Italien scharf nach rechts gerutscht, nicht nur rhetorisch.

Kommt jetzt die GroKo auf italienisch?

Und Matteo Renzi? Sein Partito Democratico dümpelte in den letzten Umfragen nur leicht über 20 Prozent. Das Image des “Rottamatore”, des Verschrotters der alten politischen Eliten hat so starke Risse bekommen, dass man im PD lieber offen lässt, ob am Ende Renzi einer Regierung vorstehen soll, oder doch lieber Paolo Gentiloni, der amtierende Ministerpräsident und Renzis Parteifreund. Doch dafür müsste es ersteinmal zur Mehrheit reichen: in Italien spekuliert man deshalb schon, wie stabil das Berlusconi-Bündnis wirklich ist und ob seine Forza Italia und Renzis Partito nicht doch lieber eine Art GroKo auf italienisch gründen.

Fünf Sterne Bewegung könnte stärkste Partei werden - trotz Skandal

Als stärkste Partei dürfte die Fünf Sterne Bewegung ins Parlament einziehen. Luigi di Maio hat schon seine künftige Regierungsmannschaft zusammengestellt, obwohl weit und breit kein Koalitionspartner in Sicht ist. Von ihren extrem-europakritischen Positionen ist die Partei abgewichen, will inzwischen “nur noch” die EU-Verträge für Italien neu verhandeln. Die Vorschläge der Partei, zum Beispiel ein staatlich gefördertes Grundeinkommen, gelten allgemein als unfinanzierbar. Luigi di Maio könnte es aber dennoch gelingen, die Wähler einzusammeln, die sich von den etablierten Parteien abgewandt haben und trotzdem zur Wahl gehen. Obwohl pünktlich in der Endphase des Wahlkampfes ein handfester Skandal die Partei erschüttert hat: mehrere Abgeordnete hatten sich nicht an die parteiinternen Spielregeln gehalten und Gelder abgeführt, die man für eine unzulässige Überversorgung der Politik hält. Die Betreffenden wurden ausgeschlossen und stellten ein Problem dar für die Partei, die sich “onestà”, Ehrlichkeit auf die Fahnen geschrieben hat.

Unscheinbarer Wahlkampf in Italien

Ansonsten war der Wahlkampf für italienische Verhältnisse sehr unaufgeregt und im öffentlichen Raum kaum zu bemerken. Direkte Konfrontationen, zum Beispiel in einem TV-Duell, gab es keine, und nur wenige Großveranstaltungen. Wichtige Inhalte wie das Thema Migration oder die hohe Arbeitslosigkeit wurden meist nur oberflächlich diskutiert. Viele Wähler sind bis zuletzt unentschlossen, die Wahlbeteiligung könnte auf unter 70 Prozent sinken, was für Italien ein historischer Tiefststand wäre. Nach der Wahl befürchten Experten eine äußerst schwierige und möglicherweise auch langwierige Regierungsbildung. Dann kommt Staatspräsident Sergio Mattarella die zentrale Rolle zu: er wird mit den ins Parlament gewählten Parteien die Lage sondieren und am Ende den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilen. An wen ist zur Zeit noch völlig offen.