Selbst nach Abzug der Inflation konnten Mindestlohnbezieher in Deutschland Anfang 2023 einen realen Anstieg ihres Stundenlohns von 12,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbuchen. Das geht geht aus dem Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor.
Deutschland mit stärkstem Plus beim Mindestlohn
Damit gelang es in Deutschland wesentlich besser, die Kaufkraft von Mindestlohnbeziehern zu schützen, als in anderen EU-Staaten. In keinem anderen Land hat es der Studie zufolge einen so starken realen Zuwachs beim Mindestlohn gegeben. Auf Platz zwei hinter der Bundesrepublik folgt Estland, wo das reale Plus mit 5,8 Prozent aber nicht einmal halb so groß ausfällt.
Auch in den meisten anderen EU-Staaten wurden die Mindestlöhne erhöht, oft aber nicht stark genug, um die Preissteigerungen auszugleichen: In zehn EU-Ländern fielen die inflationsbereinigten Mindestlöhne deshalb, so in Tschechien (-6,2 Prozent) und Estland (-6,7 Prozent). Im EU-Schnitt lag die Steigerung des Mindestlohns nach Abzug der Inflation bei 0,6 Prozent.
Zweithöchster Mindestlohn in der EU
In Deutschland wurde die Lohnuntergrenze zum 1. Oktober von 10,45 auf 12,00 Euro je Stunde angehoben, nachdem sie in der ersten Jahreshälfte noch bei 9,82 Euro gelegen hatte. Das sei ein spürbarer Beitrag gewesen, um in der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Krise Nachfrage und Wirtschaftsentwicklung zu stützen, so die Studie.
Höher ist der Mindestlohn nur noch in Luxemburg mit 13,80 Euro. Etwas niedriger liegt er in Belgien (11,85 Euro) und den Niederlanden (11,75 Euro). Am niedrigsten ist der gesetzliche Mindestlohn in Ungarn (3,41 Euro) und in Bulgarien (2,41 Euro.)
- Zum Artikel "EU-Regeln für angemessene Mindestlöhne: Was ändert sich?"
Nächste Anhebung lässt auf sich warten
Allerdings handele es sich dabei nur um eine Momentaufnahme, so die IMK-Studienautoren Malte Lübker und Thorsten Schulten. Da die nächste Mindestlohnanpassung hierzulande erst zum Januar 2024 vorgesehen sei, werde ein Teil des Zuwachses durch die weiterhin hohe Inflation in diesem Jahr aufgezehrt – "anders als etwa in Frankreich, den Niederlanden oder Belgien, wo die Mindestlöhne 2023 auch unterjährig erhöht werden".
Deshalb halten es die Forscher für wahrscheinlich, dass Deutschland bei der absoluten Höhe des Mindestlohns in den nächsten Monaten von mehreren dieser Länder überholt wird und den aktuellen Platz zwei in der EU wieder verliert.
Inflation trifft Niedriglohn-Haushalte am härtesten
Dem IMK zufolge sind Haushalte mit niedrigen Einkommen überdurchschnittlich stark von der anhaltenden Teuerung betroffen sind, weil sie ihr Geld vor allem für Lebensmittel und Energie ausgeben - die aktuell stärksten Preistreiber. Auch in Deutschland stelle sich daher beim Mindestlohn "Kaufkraftsicherung als zentrale Aufgabe in Zeiten hoher Inflation", so die Forscher.
Mit Informationen von Reuters und epd
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