Nach Schließung der Wahllokale um 23 Uhr wird das politische Italien gebannt in Richtung Süden blicken. Dort könnte sich das Schicksal des ganzen Landes entscheiden, meinen Wahlforscher wie Lorenzo Pregliasco, denn im Süden liegen besonders viele Wahlkreise, in denen gar nichts klar ist:
"Südlich von den Marken und südlich von Rom. Bis nach Sizilien, Kalabrien und Kampanien. Hier halten sich das Mitte-Rechts-Bündnis und die Fünf-Sterne-Bewegung fast überall die Waage. Diese Wahlkreise könnten darüber entscheiden, ob Mitte-Rechts eine Regierungs-Mehrheit bekommt und somit, wer ab 5. März das Sagen hat." Lorenzo Pregliasco, Wahlforscher
Unberechenbares Wahlrecht in Italien
Dabei geht es nach dem neuen italienischen Wahlrecht nur darum, wer in dem jeweiligen Wahlkreis die meisten Stimmen bekommt. Das neue Wahlsystem ist eine Mischung aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht und deshalb unberechenbarer als früher.
Die Probleme Italiens werden im Süden besonders sichtbar
Ausgerechnet das arme Süditalien wird damit höchstwahrscheinlich zum Zünglein an der Waage, also jene Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist und die seit Jahrzehnten mehr als andere unter der organisierten Kriminalität leiden.
Die Probleme Italiens werden im Süden besonders deutlich. Auf vielen Feldern schuften miserabel bezahlte Tagelöhner, viele von ihnen gestrandete Flüchtlinge, die in notdürftigen Baracken oder Zelten hausen. Viele junge Italiener sind längst aus dem Süden geflüchtet, um irgendwo im Norden Arbeit zu finden.
Thema Flüchtlinge spielt in Italien eine wichtige Rolle
Im Lauf der Jahre hat sich die Stimmung im Land dramatisch verändert, sagt Gianni Rufini von Amnesty International.
"Ein Italien, das noch 2014 stolz darauf war, Flüchtlinge auf hoher See zu retten , das Gastfreundschaft und Hilfe für Flüchtlinge mehrheitlich als einen hohen Wert betrachtete, erweist sich heute als feindselig, rassistisch, fremdenfeindlich, ablehnend gegenüber anderen - mit einer ungerechtfertigten Angst vor allem, was anders ist als wir." Gianni Rufini, Amnesty International
Berlusconi-Bündnis mit fremdenfeindlichen Parolen auf Stimmenfang
Besonders profiliert hat sich in dieser Hinsicht das Mitte-Rechts-Bündnis rund um Silvio Berlusconi. Dessen Hauptbündnispartner Matteo Salvini von der Lega ist im Wahlkampf mit besonders vielen fremdenfeindlichen Parolen aufgefallen. Sein Nachteil: Als ehemaliger norditalienischer Separatist ist Salvini im Süden weniger beliebt als Silvio Berlusconi, hat Lorenzo Pregliasco analysiert.
"Mitte-Rechts hat eine Meinungsführerschaft, vor allem Berlusconi, der nur wenige einfache Botschaften äußert – zu Steuern oder Problemen, mit denen sich die Wählerschaft identifizieren kann. Das ist der Grund, warum im Süden ein Teil der Unentschlossenen eher Mitte-Rechts als die Fünf Sterne wählt." Lorenzo Pregliasco, Wahlforscher
Zuverlässiges Ergebnis der Wahl erst am Montag
Die Fünf-Sterne-Bewegung könnte italienweit dennoch zur stärksten Partei werden. Sie gilt als Auffangbecken für Protestwähler, die den angestammten Parteien eine Ohrfeige verpassen wollen. Mit wirklich belastbaren Ergebnissen wird erst im Lauf des Montags gerechnet. Für eine Regierungsmehrheit könnten rund 40 Prozent der Stimmen reichen, meinen Experten. Noch ist fraglich, ob eine Partei oder ein Wahlbündnis ein solches Ergebnis erreichen wird. Mindestens ebenso wahrscheinlich sind unklare Verhältnisse.