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Andrea Nahles

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Das Dilemma der SPD - und die möglichen Wege aus dem Asylstreit

Das Dilemma der SPD - und die möglichen Wege aus dem Asylstreit

Es war absehbar, jetzt ist es klar: Die SPD wird sich den Asylkompromiss der Union nicht aufzwingen lassen. Das betonen führende Sozialdemokraten seit Bekanntwerden der gemeinsamen Linie von CDU und CSU. Eine Analyse von Helge Roefer

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Nachmittag am .

Die SPD steht unter enormem Druck - unter dem Druck, von dem die Unionsschwestern sich durch den Kompromiss vom Dienstag zunächst befreit haben: Von ihrer Haltung in der Asyldebatte hängt der Fortbestand der Regierung, zumindest deren Handlungsfähigkeit ab.

SPD will verhandeln

Gibt es keine Einigung, wird weiter lähmend gestritten, erst wenn die drei Koalitionspartner zu einer gemeinsamen Linie bei der Verschärfung des Asylrechts kommen, kann die konkrete Sacharbeit weitergehen. Die Sozialdemokraten betonen Gesprächsbereitschaft und Einigungswillen, aber auch Klärungs- und Korrekturbedarf. Und ein Entgegenkommen der Union.

Legale Möglichkeiten der Einwanderung gefordert

Immer häufiger kommt da das Einwanderungsgesetz ins Gespräch - von der SPD lange gefordert und im Koalitionsvertrag als '"Regelwerk zur Steuerung von Zuwanderung in den Arbeitsmarkt" vereinbart. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Mittwoch im Bundestag, es müsse im Gegenzug zu Rückführungen und anderen Maßnahmen zur Verhinderung der Migration auch legale Möglichkeiten geben, Studien- und Arbeitsplätze zu bekommen: "Anders werden Sie die Schlepper und Schleuser nicht bekämpfen", so die Kanzlerin.

Uli Grötsch, Generalsekretär der Bayern-SPD, betonte am Dienstagabend im BR auch notwendige Verbesserungen bei der Integration: "Wir fordern verpflichtende Sprachkurse ab dem ersten Tag, den Zugang zum Arbeitsmarkt, was ein Riesenproblem ist in ganz Bayern. Das sind die Themen, um die man sich kümmern müsste. Zurückweisung ist ja nur ein minimaler Teil." SPD-Chefin Andrea Nahles forderte in diesem Zusammenhang eine "neue Logik der Zuwanderungspolitik", um Steuerung und Humanität gerecht zu werden, und fügte hinzu, ein Einwanderungsgesetz habe für die SPD "hohe Priorität". Die konkrete Ausgestaltung eines solchen Gesetzes könnte die SPD also als Erfolg verbuchen - und möglicherweise an anderer Stelle zu Zugeständnissen bereit sein.

Mietpreisbremse im Gegenzug im Gespräch

Aus der SPD-Fraktion heißt es zudem, CDU und CSU könnten bei der Verschärfung der Mietpreisbremse auf die SPD zukommen - ein im Koalitionsvertrag festgeschriebenes und auf dem Koalitionsgipfel Anfang Juni erneut priorisiertes Thema, das vor allem der SPD am Herzen liegt. Bisher blockiert die Union Änderungsvorschläge von Justizministerin Katarina Barley vor allem zur Auskunftspflicht für Vermieter.

SPD lehnt geschlossene Lager ab

Nicht erst in ihrem eigenen, fünf Punkte umfassenden Plan zur Migration, den sie am Montag vorgestellt haben, sprechen die Sozialdemokraten sich ausdrücklich gegen geschlossene Lager mit Gefängnis-Charakter aus. Parteichefin Nahles wiederholte am Mittwoch: "Geschlossene Lager lehnen wir ab." Die von der Union angedachten Transitzentren sind genau das - auch wenn einzelne Stimmen sagen, diese Zentren seien insofern nicht geschlossen, als der Weg zurück immer offen sei.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte am Mittwoch nach der frühmorgendlichen Fraktionssitzung: "Massenlager, wo Flüchtlinge wochenlang eingesperrt werden, wird es mit der SPD nicht geben" und verweist damit auf einen für die SPD elementaren Punkt: 2015 hatte sie sich erfolgreich gegen von der CSU geforderte geschlossene Transitzentren für alle ankommenden Flüchtlinge gewehrt. Nun geht es allerdings längst nicht mehr um tausende Personen, die interniert würden, sondern um diejenigen, die kein Anrecht auf ein Asylverfahren in Deutschland haben. Und: Der Reizbegriff "Transit" ließe sich mit einer Umbenennung tilgen. Als Alternativvorschlag kursiert bereits die Bezeichnung als "Express-Zentren", was nicht mal unbedingt ein Etikettenschwindel wäre, denn die Bearbeitung der Fälle soll nach Aussagen von Innenminister Seehofer binnen 48 Stunden erledigt sein. SPD-Generalsekretär Klingbeil zeigte sich denn auch zuversichtlich, dass diesbezüglich eine Verständigung mit der Union möglich sei.

Abkommen müssen erst noch ausgehandelt werden

Rückführungen bzw. Zurückweisungen will die SPD nur in engen Grenzen und "keinesfalls im nationalen Alleingang", wie Nahles mehrfach betonte. Das hat auch die Union zunächst nicht vor, allerdings ist fraglich, ob alle zur Kooperation aufgerufenen EU-Staaten entsprechende Vereinbarungen zu unterschreiben bereit sind, damit es geregelte Verfahren werden. Es ist nun an Innenminister Horst Seehofer, diese bilateralen Verträge auszuhandeln, wichtige Partner haben jedoch schon hohe Hürden aufgebaut: Ungarn lehnt bislang solche Vereinbarungen ab und verweist auf vorher zu treffende Absprachen zwischen Deutschland und Österreich. Österreich selbst will nichts unterschreiben, was zu seinem Nachteil wäre. Und Italien wird enorme, vor allem finanzielle Zugeständnisse für eine Einwilligung fordern.

Koalitionspartner stehen unter Zeitdruck

Nachdem CDU und CSU im Asylstreit einen Kompromiss erreicht haben, verläuft die Konfliktlinie nun also zwischen der Union und dem Koalitionspartner SPD. Auf beiden Seiten herrscht aber verhaltener Optimismus, dass es eine Einigung geben kann. Ein entscheidender Faktor auf dem Weg dazu wird die Zeit sein - und der Druck, der auf den Koalitionären, zurzeit vornehmlich auf der SPD lastet: Endlich den Streit zu beenden, um zur Sacharbeit zurück finden zu können.

Am Donnerstag sollen die Gespräche zwischen CDU, CSU und SPD im Koalitionsausschuss fortgesetzt werden.