Wenn bei den Kindern die Debatte aufs Smartphone kommt, rollen manche Eltern schon mit den Augen. Vor allem gegen Ende der Grundschulzeit vor dem Übertritt in die weiterführende Schule glauben viele Eltern, dass das der richtige Zeitpunkt ist, so ein Gerät zu schenken. Mit dem Smartphone alleine ist es aber nicht getan. Es geht insgesamt darum: Was brauchen Kinder für ein Handwerkszeug für die digitale Welt? Welche Gefahren lauern im Internet, in sozialen Medien und in Messenger-Diensten? Antworten gibt ein Gespräch mit Cem Karakaya, dem Internetkriminologen der Münchner Polizei.
Ohne gesetzliche Regelungen: Smartphone erst ab 16 oder 18 Jahren
In der vierten Klasse der Grundschule sind die Kinder um die 10 Jahre alt. Einem Kind einfach so ein Smartphone in die Hand zu drücken hält Cem Karakaya von der Münchner Polizei für bedenklich. "Ich bin persönliche der Meinung, dass das Smartphone für Kinder nicht geeignet ist. Ich würde sagen, da braucht man sogar gesetzliche Regelungen, dass das Smartphone vielleicht auch erst ab 16, 18 erlaubt ist, wie Alkohol, Rauchen et cetera." Er gebe seiner elfjährigen Tochter schließlich auch nicht den Autoschlüssel und sage: 'Schatz, fahr Du heute, das schaffst du schon.'
Nach Karakayas Worten liegt das Problem aber nicht am Smartphone selbst, sondern an der mangelnden Aufklärung und Sensibilisierung für rechtliche Grenzen.
Internetkriminologe Cem Karakaya von der Münchner Polizei
Medienkompetenz der Kinder beginnt bei den Eltern
Ob Kinder Medienkompetenz erlangen, ist wie bei vielen anderen Dingen auch Erziehungssache. Doch viele Erziehungsberechtigte sind selbst mit Computern, Apps und Internet heillos überfordert. Für besonders wichtig hält Karakaya die Aufklärung über rechtliche Grenzen: "Jeder Straftatbestand, den sie im Strafgesetzbuch finden, gilt auch für das Internet. Ich darf zum Beispiel über WhatsApp niemanden beleidigen."
Der Internetexperte rät deswegen dazu, Profile für private Netzwerke mit dem Kind gemeinsam einzurichten, die Konten privat zu stellen und erst mal nur Freunde aus dem echten Leben zu verknüpfen. Und natürlich müssten die Kinder dabei auch erst mal begleitet werden.
Internetsicherheit zu Hause sicherstellen
Um Kindern auch zuhause die ersten Schritte im Internet so sicher wie möglich zu gestalten, empfiehlt der Experte, kindgerechte Internetseiten wie Logo oder geeignete Suchmaschinen für Kinder einzurichten. Auch für Erziehungsberechtigte gibt es Internetangebote, wie "klicksafe", die sich speziell an Eltern jüngerer Kinder richten. Wichtig seien aber auch technische Maßnahmen zum Beispiel im Router, wo über eine sogenannte "Blacklist" ungeeignete Internetseiten gefiltert werden können.
Sollten Kinder bereits einen PC im Kinderzimmer haben, rät Karakaya zunächst zu einem Gast-Benutzerkonto, sodass "die Kinder ohne Wissen der Eltern nichts installieren oder Systemeinstellungen ändern können." Bei Apps, wie TikTok oder Instagram rät Karakaya dazu, zunächst die Kommentarfunktion zu deaktivieren. Damit dann das Kind "auch genauso surft, wie das auch sein sollte."
Bilder posten: "Muss das sein? Bereue ich das morgen?"
Im Bezug auf das Posten von Bildern in Social Media oder Chatgruppen zitiert der Experte für Internetkriminalität zunächst das Recht am eigenen Bild, das im Kunsturheberrechtsgesetz geregelt ist: "Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden." Werde das ignoriert, könne das auch für Kinder straf- und zivilrechtliche Folgen haben. Noch schlimmer sei es beim Verschicken vermeintlich "lustiger" Nacktbilder. Unter Umständen könne das eine ernsthafte Straftat darstellen.
Deswegen rät er, sich vor dem Posten zwei Fragen stellen: "Muss das sein? Kann das sein, dass ich es später in der Zukunft – vielleicht sogar morgen – es bereue?" Ist etwas mal im Internet, bleibe es dort auch für immer, warnt Karakaya, und erzählt die Geschichte von einem jungen türkischen Kochtalent, das aufgrund von zurückliegenden Social-Media Entgleisungen eine Kochshow nicht gewinnen durfte.
Cybergrooming – misstrauisch bleiben bei Kontakt mit Fremden
Von Cybergrooming spricht man, wenn eine erwachsene Person über das Internet, zum Beispiel in einem Spielechat, Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen aufnimmt. Ziel ist es, deren Vertrauen zu erschleichen und sie später zu sexuellen Handlungen zu bewegen. "Da tauchen zum Beispiel Fragen auf wie: Bist du alleine zu Hause? Oder kannst du mir mal dein Zimmer zeigen?" erklärt Cem Karakaya.
Auch Bemerkungen über Profilbilder oder die Frage nach weiteren Fotos sollten hellhörig machen. Handynummern, Mailadressen oder die Wohnanschrift sollten keinesfalls an Fremde weitergegeben, geschweige denn ein Treffen vereinbart werden. Bei einem schlechten Bauchgefühl, so Karakaya, sollten Kinder immer zu den Eltern gehen und gegebenenfalls die Polizei informieren.

Anwalt für IT-Recht Chan-jo Jun
Smartphone: Beleidigungen und Sexualdelikte am häufigsten
Kinder und Jugendliche, die ein Smartphone haben, sind sich oft nicht darüber im Klaren, dass im Internet dieselben Rechte gelten, wie im richtigen Leben. "Ehrverletzungsdelikte nach Paragraf 185 StGB, also Beleidigung, üble Nachrede, Dissen, Lästern und dergleichen oder die Teilnahme daran sehen wir leider gar nicht so selten. Auch Sexualdelikte, und zwar insbesondere solche, die schnell begangen werden" sagt der Fachanwalt für IT-Recht Chan-jo Jun.
Sexualdelikte, wie Jugendpornografie, werden besonders hart geahndet: "Wer davon Kenntnis hat, also was zum Beispiel über eine WhatsApp-Gruppe weitergeleitet worden ist, der macht sich schon allein durch den Besitz strafbar", warnt Jun. Es sei schwierig, überhaupt noch ein Handy eines Teenagers zu finden, auf dem nicht auch ein jugendpornografisches Werk drauf sei.
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Strafunmündigkeit schützt nicht vor Bestrafung
Richtigerweise entstehe Strafmündigkeit erst mit 14 Jahren, so der Anwalt, es gebe aber auch Delikte, die nicht straf- sondern zivilrechtliche Folgen hätten. "Und da ist anschaulich das Urteil des Landgerichts Memmingen über einen Schmerzensgeldbetrag von 1.500 Euro sowie Unterlassung von einem Elfjährigen gegen einen anderen Elfjährigen" nannte Jun als Beispiel. Das 2015 verurteilte Kind hatte einen Mitschüler über eine gefälschte Facebookseite so massiv gemobbt und beleidigt, dass der geschädigte Junge in psychotherapeutische Behandlung musste.
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