"Eine bayerische Stimme ist dann viel weniger wert", so formulierte CSU-Generalsekretär Martin Huber im "Sonntags-Stammtisch" im BR Fernsehen die verfassungsrechtlichen Bedenken der CSU gegenüber der am Freitag vom Bundestag beschlossenen Wahlrechtsreform. Es sei ein absoluter Tabubruch, dass ein direkt gewählter Abgeordneter nicht mehr automatisch ins Parlament einziehe. "Demokratie heißt für mich klipp und klar, wer die meisten Stimmen hat, der hat gewonnen", so Huber. Da könne man den Menschen nicht erklären, dass ein Kandidat, der 30 oder 40 Prozent der Erststimmen erhalten habe, kein Abgeordneter werde.
CSU will vor das Bundesverfassungsgericht ziehen
Auch betonte Huber, dass man sich in der Großen Koalition mit der SPD bereits auf ein neues Wahlrecht geeinigt hatte. "Davon will die SPD jetzt nichts mehr wissen und jetzt zimmern sie sich ein Wahlrecht, das vor allem der Ampel dient und den Süden, den Osten und die CSU benachteiligt", so Huber. Mit welchen Argumenten genau die CSU ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht begründen wird, wollte Huber nicht verraten. "Das werden wir nicht hier in aller Breite ausdiskutieren", so der CSU-General.
Huber: "Bürokraten offenbar wichtiger als Demokraten"
Auch kritisierte Huber, dass die Wahlrechtsreform mit finanziellen Einsparungen verteidigt werde. Wenn es der Bundesregierung ums Geld ginge, dann müsse man auch die jüngst beschlossene Schaffung neuer Stellen ansehen, die den Steuerzahler 50 Millionen Euro im Jahr koste, so Huber. "Da habe ich dann schon den Eindruck, da sind der Ampel Bürokraten wichtiger als Demokraten."
Huber hält Vergleich mit bayerischem Wahlrecht für falsch
Den Vergleich mit dem bayerischen Wahlrecht, bei dem Stimmkreisgewinner auch nicht in den Landtag einziehen, wenn ihre Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, ließ der CSU-Generalsekretär nicht gelten. In den letzten Tagen hatten zahlreiche Ampelpolitiker und auch der bayerische SPD-Vorsitzende Florian von Brunn auf diesen Zustand hingewiesen. Das sei ein Vergleich von "Äpfeln mit Birnen". Denn in Bayern würden Erst-und Zweitstimme für das Gesamtergebnis zusammengezählt. Somit sei es deutlich unwahrscheinlicher, dass eine Partei mit guten Ergebnissen für ihre Direktkandidaten an der Fünf-Prozent-Hürde scheitere.
Politikwissenschaftlerin Münch teilt Teile der CSU-Kritik
Die Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, Ursula Münch, teilt Teile der Kritik der CSU an der Wahlrechtsreform. Das machte sie am Stammtisch deutlich. Sie sei klar gegen die Abschaffung der Grundmandatsklausel, die überhaupt erst vor einer Woche in den Entwurf für ein neues Wahlreicht eingebaut worden sei. Den vorherigen Entwurf habe sie insgesamt in Ordnung gefunden, so Münch. Zwar hätte es auch bei diesem Entwurf passieren können, dass ein Wahlkreis nicht durch einen direkt gewählten Abgeordneten vertreten gewesen wäre. "Aber irgendeinen Tod muss man sterben bei einer Wahlgesetzänderung", so Münch. Die Abschaffung der Grundmandatsklausel hält sie aber für falsch, machte Münch deutlich – gerade unter föderalen Gesichtspunkten. Denn dadurch würden die Wählerinnen und Wähler im Freistaat und auch in den ostdeutschen Bundesländern stark benachteiligt.
Autor Jan Weiler: Wahlrechtsreform dringend nötig
Schriftsteller Jan Weiler betonte die Notwendigkeit einer Wahlrechtsreform. "Ich glaube, wir haben nach China das zweitgrößte Parlament der Welt, man kann das ausdünnen", so Weiler. Die Kritik der CSU sei in seinen Augen schon sehr an die eigenen Machtvorstellungen geknüpft. "Ich glaube, die CSU würde sich überhaupt nicht darüber aufregen, wenn das ein Problem der SPD in Schleswig-Holstein wäre", so Weiler.

Autor Jan Weiler beim "Sonntags-Stammtisch".
Die ganze Sendung zum Nachschauen

Gastgeber Hans Werner Kilz, seine beiden Stammgäste Evelyn Ehrenberger und Ursula Münch mit Martin Huber und Jan Weiler.
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