Angesichts sinkender Corona-Zahlen gilt in Bayern ab Samstag eine weitere "Erleichterung": In Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und Arztpraxen reicht künftig eine medizinische Schutzmaske - nur in öffentlichen Verkehrsmitteln muss es weiter eine FFP2-Maske sein. Gleichzeitig fordert Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) aber die Möglichkeit, wieder deutlich strengere Corona-Beschränkungen anordnen zu können. "Es ist wichtig, rechtzeitig die Weichen für den Herbst zu stellen", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Die Länder bräuchten mit einer entsprechenden Anpassung des bundesweiten Infektionsschutzgesetzes Rechtssicherheit.
Der CSU-Politiker liegt in dieser Frage auf einer Linie mit den Gesundheitsministern der anderen Bundesländer sowie mit dem Ressortchef im Bund, Karl Lauterbach (SPD). Sie verlangen mit Blick auf eine mögliche neue Corona-Welle im Herbst mehr Befugnisse für die Länder. Großer Widerstand kommt aus der FDP – im Bund wie auch in Bayern.
Lauterbach will strengere Maßnahmen ermöglichen
Anfang April waren die 2G- und 3G-Zugangsbeschränkungen sowie die allgemeine Maskenpflicht in vielen Innenräumen weggefallen. Das aktuelle Infektionsschutzgesetz des Bundes, das noch bis 23. September gilt, sieht nur noch einen "Basisschutz" vor – neben Maskenpflichten in bestimmten Bereichen ist eine einrichtungsbezogene Testpflicht für Besucher und Beschäftigte in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Justizvollzugsanstalten möglich. Strengere Maßnahmen können nur für genau definierte Hotspots angeordnet werden.
Die Gesundheitsminister der Länder forderten schon Mitte Mai eine rechtzeitige Vorbereitung auf eine neue Corona-Welle im Herbst: Die Länder bräuchten die Befugnis, eine generelle Maskenpflicht in Innenräumen, 3G- und 2G-Zugangsbeschränkung sowie die Erstellung von Infektionsschutzkonzepten anzuordnen.
Lauterbach betonte am Mittwochabend bei "Markus Lanz" im ZDF erneut, dass bei der Vorbereitung des neuen Infektionsschutzgesetzes für den Herbst die Frage diskutiert werden müsse, ob das Masken-Tragen in Innenräumen wieder verpflichtend werde. Er halte es "für unbedingt notwendig, dass wir uns für den Herbst diese Möglichkeit eröffnen". Beim Deutschen Ärztetag hatte der Minister zuvor gesagt, es müsse um mehr gehen als nur die Maskenpflicht. Auch der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen pocht darauf, den Ländern wieder Masken- und Testpflichten sowie 2G- und 3G-Regeln zu erlauben.
Buschmann und Kubicki pochen auf Evaluation
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) distanzierte sich von Lauterbachs Vorstoß. Im Infektionsschutzgesetz sei eine unabhängige Evaluierung der Corona-Maßnahmen verpflichtend vorgesehen, schrieb Buschmann auf Twitter. Die Ergebnisse gelte es abzuwarten und auszuwerten - "statt uns auf einzelne Maßnahmen vorschnell festzulegen". Buschmann fügte hinzu: "Wir sollten Recht und Gesetz achten und wissenschaftliche Erkenntnisse ernst nehmen."
FDP-Vize Wolfgang Kubicki warf dem Bundesgesundheitsministerium und dem Robert Koch-Institut vor, in mehr als zwei Jahren Pandemie nicht in der Lage gewesen zu sein, "vernünftig nutzbare Daten zu erheben". Eine erneute Änderung des Infektionsschutzgesetzes, um strengere Maßnahmen wieder möglich zu machen, werde es mit den Freien Demokraten nur geben, wenn diese Änderung ausreichend wissenschaftlich begründet werden könne und nicht mehr auf bloßen Behauptungen fuße, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Einen weiteren Herbst und Winter wird es nicht geben, in denen wegen eines diffusen Datennebels Grundrechtsbeschränkungen vorgenommen werden."
Hagen hofft auf "sanften Druck aus der Bevölkerung"
Der bayerische FDP-Landeschef Marin Hagen sagte der "Bayerischen Staatszeitung", Lauterbach begründe seine Forderung nach strengeren Maßnahmen mit einer "Killervariante", die er kommen sehe. "Alle Experten sagen mir, dass sie das nicht erwarten, dass sie das für unwahrscheinlich halten", erläuterte Hagen. "Wenn wir es im Herbst mit Omikron oder etwas Vergleichbarem zu tun haben, sehe ich keinen Grund für erneute Einschränkungen des öffentlichen Lebens." Deutschland habe eine hohe Impfquote und eine hohe Genesenenquote.
Erneut äußerte Hagen sein Bedauern darüber, dass die Staatsregierung an der FFP2-Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln festhält. Es sei "Unsinn", dass "Leute, auch Politiker übrigens, ohne Maske im vollen Bierzelt feiern, und danach in der S-Bahn muss man die FFP2-Maske tragen". Daher hoffe er, dass bei den anderen Parteien ein Umdenken einsetze. "Vielleicht hilft ja sanfter Druck aus der Bevölkerung. Briefe und Mails an CSU, Freie Wähler, Grüne und SPD können da Wunder bewirken."
Holetschek attackiert FDP scharf
Bayerns Gesundheitsminister Holetschek kritisierte die Haltung der FDP und den Streit innerhalb des Ampel-Bündnisses in Berlin. "Der Schutz vor einer möglichen neuen Pandemiewelle sollte für die gesamte Koalition oberste Priorität haben, das gilt auch für die FDP."
Buschmanns und Kubickis Kritik an Lauterbachs Vorstoß lasse eine Blockade wichtiger Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung durch einen Dauerstreit in der Koalition befürchten. "Die Ampel irrlichtert schon wieder, und Buschmann und Kubicki erweisen sich dabei nicht wirklich als Leuchten", kritisierte Holetschek. "Wenn die Bundesregierung keinen klaren Kurs vorgibt und keine Geschlossenheit zeigt, verunsichert sie die Menschen", fügte er hinzu.
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