"Mehr Schaden als Nutzen": Länder für Ende der Teil-Impfpflicht
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Archivbild: Ein Krankenpfleger ist in einem Spiegel in der Notaufnahme von einem Krankenhaus zu sehen.

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"Mehr Schaden als Nutzen": Länder für Ende der Teil-Impfpflicht

In einem Schreiben an Bundesminister Lauterbach fordern Bayern, Sachsen und Thüringen ein Ende der Impfpflicht im Gesundheitswesen. Die "völlig überholte Maßnahme" strapaziere die Einrichtungen, warnt Bayerns Gesundheitsminister Holetschek.

Parteiübergreifender Appell aus den Ländern: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), und seine Amtskolleginnen aus Sachsen und Thüringen, Petra Köpping (SPD) und Heike Werner (Linke), machen sich für ein Auslaufen der Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen stark. In einem gemeinsamen Schreiben an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnen sie vor den Folgen einer Verlängerung der Regelung.

Laut Holetschek bringt die einrichtungsbezogene Impfpflicht mehr Schaden als Nutzen. Der CSU-Politiker betonte: "Wir brauchen jede verfügbare Arbeitskraft in Medizin, Pflege und Eingliederungshilfe. Wir können es uns nicht erlauben, mit einer mittlerweile völlig überholten Maßnahme diesen Bereich weiter zu strapazieren, indem wir dringend benötigtes Fachpersonal aber auch Auszubildende in andere Berufe oder ins benachbarte Ausland verdrängen."

Lauterbach verteidigt Pflege-Impfpflicht

Die Teil-Impfpflicht ist seit Mitte März für alle Beschäftigten in Einrichtungen des Gesundheitswesens in Kraft und bis 31. Dezember befristet. Lauterbach lässt bisher offen, ob er sich für eine Verlängerung einsetzen wird. Bei seiner Befragung im Bundestag sagte er vergangene Woche: "Wir beschäftigen uns derzeit mit der Entwicklung der Pandemie in der Herbst- und Winterwelle. Und wir werden vom dem Verlauf der Herbst- und Winterwelle abhängig machen, wie wir mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht umgehen."

Wenige Tage zuvor hatte Lauterbach die Teil-Impfpflicht gegen Kritik verteidigt: Gerade in den medizinischen und Pflege-Einrichtungen müssten die Menschen besonders geschützt sein. "Und dazu trägt die einrichtungsbezogene Impfpflicht ganz maßgeblich bei." Somit sei sie richtig und wichtig, argumentierte der SPD-Politiker.

Holetschek: "Keine Rechtfertigung" für Teil-Impfpflicht

Minister Holetschek erinnerte daran, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht immer nur als Vorläufer einer allgemeinen Impfpflicht gedacht gewesen sei. Da die allgemeine Corona-Impfpflicht aber politisch gescheitert sei, gebe es auch keine Rechtfertigung für eine Teil-Impfpflicht mehr. "Wir sind es den Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich schuldig, sie in dieser Frage fair zu behandeln und nicht ohne jede Not einseitig zu belasten."

Holetschek hatte in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach schon ein vorzeitiges Ende der Teil-Impfpflicht verlangt. Eine Forderung, die auch von mehreren Gesundheits- und Pflegeverbänden formuliert wurde.

"Brauchen wir jede Pflegekraft"

Sachsens Gesundheitsministerin Köpping verwies darauf, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht unter dem Einfluss der Delta-Variante mit hohen Erkrankungs- und Todeszahlen sowie schweren Verläufen beschlossen worden sei. "Heute haben sich mit der Omikron-Variante die Voraussetzungen geändert." Mit Blick auf die Versorgungssicherheit, aber auch den "enormen Verwaltungsaufwand" lehne sie eine Verlängerung der Impfpflicht über das Jahresende hinaus ab. "Sie ist schlicht nicht zu rechtfertigen." Aktuell werde jede Pflegekraft benötigt. "Wir können auf niemanden verzichten."

Nach Meinung von Thüringens Ressortchefin Werner wird die Durchsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht "allein auf dem Rücken derer ausgetragen, die unser Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren am Laufen gehalten haben". Sie habe deswegen schon Anfang September einen Brief an Lauterbach geschrieben. "Eine Antwort steht leider bis heute aus." Statt an dem Konstrukt der Teil-Impfpflicht festzuhalten, sollten lieber Anreize für Auffrischungsimpfungen mit angepassten Impfstoffen für alle geschaffen werden, forderte Werner.

Der baden-württembergische Sozial- und Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) schloss sich laut dpa der Forderung seiner drei Amtskollegen an. Auch er betonte, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht als Vorreiter der gescheiterten allgemeinen Impfpflicht gedacht gewesen sei. "«Deshalb können wir nun den Beschäftigten im Gesundheitswesen beim besten Willen nicht dieses Sonderopfer abverlangen."

Bayern geht Sonderweg bei Pflege-Impfpflicht

Seit 1. Oktober gelten für Beschäftigte im Gesundheitswesen strengere Vorgaben als zuvor: Das Pflege- und Gesundheitspersonal muss seither geboostert statt nur zweifach geimpft sein.

Bayern will auf den Vollzug der Verschärfung weitgehend verzichten, um "aberwitzige Bürokratie" zu vermeiden und die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden. Mehrere Bundesländer folgen dem bayerischen Sonderweg, nur bei Neueinstellungen einen Booster-Nachweis zu verlangen. Aus dem Gesundheitswesen gab es Lob für diese Regelung.

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