Christoph Heusgen ist Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, er war deutscher Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York und viele Jahre außenpolitischer Berater von Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Im BR-Interview äußert er sich zum G7-Gipfel in Elmau.
Sie waren beim letzten G7-Gipfel in Elmau 2015 als Berater hautnah dabei. Wie läuft denn so ein Gipfel ab?
Heusgen: Es ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Auf der einen Seite wird er unglaublich klar und präzise vorbereitet. Auf der anderen Seite möchte man, dass ein solcher Gipfel möglichst informell abläuft. Aus diesen Gipfeln soll die Gemeinschaft der G7-Staaten gestärkt hervorgehen und da spielen auch persönliche Beziehungen eine ganz große Rolle.
Diese Gipfel sollen die Möglichkeit bieten, in einer tollen Atmosphäre die guten Beziehungen in einen politischen Alltag zu übertragen. Natürlich werden aber auch Substanzthemen beraten. Insgesamt ist es wie eine Art Familientreffen.
Was sind die Hauptmerkmale des Gipfels 2015 gewesen? Die Agenda war groß. Wie ist in ihrer Erinnerung geblieben, was dort verhandelt und beschlossen worden ist?
Heusgen: Wenn ich zurückdenke, denke ich, wie bei vielen G7-Gipfeln zurück an die Atmosphäre. Die Kanzlerin und Präsident Obama, die sich auch schon zu diesem Zeitpunkt sehr nah waren, waren vor dem eigentlichen Gipfel in der Umgebung in Bayern und haben in einem kleinen Ort mit der Bevölkerung in Biergartenatmosphäre zusammengesessen.
Jetzt müssen wir aber auch zurückgehen in der Zeit. 2015 war, und hier wiederholt sich die Geschichte, nach dem ersten Einmarsch Russlands in die Ukraine. Wir hatten Anfang des Jahres das Minsk-Abkommen geschlossen, es ging um die Umsetzung. Sie müssen auch daran denken, dass Russland bis 2013 noch dabei war und gerade im Vorjahr ausgeschlossen wurde. Das Besondere im Nachhinein war der enge Zusammenhalt, den Elmau den Staats- und Regierungschefs ermöglicht hat.
Was ist denn übrig geblieben von den Ergebnissen aus Elmau 2015?
Heusgen: Diese Gipfel sind ja keine Gipfel, wo dann rechtsverbindliche Beschlüsse gefasst werden. Die G7 ist nicht die EU oder Nato, sondern ein informeller Kreis. Von daher ist es so, dass man sich bei den verschiedenen Themen weiter abstimmt. Lassen sie mich ein konkretes Beispiel nennen: Elmau war nicht der erste Gipfel den die Kanzlerin geleitet hat, es gab 2007 den Gipfel in Heiligendamm, der erste, den die Kanzlerin gestaltet hat. Und da war ein Ergebnis auch, dass sie es in engen Gesprächen mit Präsident Bush hinbekommen hat, dass die Amerikaner das Thema Klimawandel als eine Herausforderung akzeptiert haben. Wir haben dann ja gesehen, Jahre später, dass Präsident Trump das nochmal zurückgenommen hat. Die persönlichen Beziehungen können bei einigen Dossiers Fortschritte bringen.
Wir haben jetzt einen neuen Kanzler und wir haben einen US-Präsidenten, der unter Druck ist. Wie soll oder könnte ein Gipfel dieses Mal ablaufen?
Heusgen: Wir haben mit Bundeskanzler Scholz jemanden, der natürlich als ehemaliger Finanzminister gipfelerfahren ist. Er hat es auch insofern besser als Kanzlerin Merkel einige Jahre, da auf amerikanischer Seite nicht Präsident Trump sitzt, der immer eine große Herausforderung für die G7-Treffen war. Und mit Präsident Biden hat er jemanden, für den dieser transatlantische Zusammenschluss wichtig ist. Deswegen gehe ich davon aus, dass das ein harmonischer Gipfel von Staats- und Regierungschefs wird, die sehr großen Wert darauflegen, eng miteinander zusammenzuarbeiten und die Absicht haben, das nach außen zu projizieren.
Der Ukraine-Krieg wird den Gipfel dominieren. Wird es neben diesem Thema überhaupt noch andere Themen geben können?
Heusgen: Auf jeden Fall. Natürlich wird die Ukraine das größte Thema sein, auch vor dem NATO-Gipfel. Der Bundeskanzler wird aber sehr großen Wert darauf legen, und ich glaube, er wird auf ein breites Echo stoßen, dass man neben dem Angriffskrieg Russlands, auch die Themen anspricht, die sonst noch wichtig sind: Zunächst das Thema Klima, der Kanzler möchte eine Art Klimaclub gründen, von Staaten, die bei diesem Thema besonders vorangehen. Dann gibt es nach wie vor das Thema Gesundheit, die Pandemie ist ja nicht vorbei. Und es wird das Thema Energie geben. Aber auch natürlich die Frage: Wie können wir auch den Staaten und Kontinenten helfen, die unter den gegenwärtigen Krisen besonders leiden?
Kommen wir zum Schluss nochmal zurück auf den Ort Elmau. Wie wichtig ist denn so ein Ort und verstehen sie wenn Kritiker sagen: Eigentlich ist der Aufwand für so einen G7-Gipfel dann doch zu groß?
Heusgen: Dem muss ich widersprechen. Ich glaube, dass diese Gipfel mit zu den wichtigsten Treffen gehören die es gibt, gerade in Zeiten der großen internationalen Anspannung. Wir haben in Europa Krieg und wir müssen gemeinsam vorgehen. Diese Abstimmung angesichts der Krise, das alleine ist schon den Aufwand wert. Und da ist Deutschland noch ein Land, das sich große Mühe gibt in der Vorbereitung.
Es geht auch darum, wie sich man sich darstellt. Das Bild von Obama und Merkel, wie sie da zusammenstehen, diese Harmonie. Das hat den deutsch-amerikanischen Verhältnissen sehr viel gebracht. Von daher: Ja, es ist den Aufwand wert und ich muss sagen, sowohl Bayern als auch Elmau waren hervorragende Gastgeber.
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