Bundesfinanzminister Christian Lindner
Bildrechte: picture alliance / NurPhoto | Emmanuele Contini

Bundesfinanzminister Christian Lindner

    Christian Lindner: Unbeirrbar, machtbewusst, aber auch locker

    Das Jahr 1 der Ampel fiel für Christian Lindner anders aus als gedacht. Krieg und Krise beherrschen auch die Finanzpolitik, die Opposition kritisiert ihn bereits als Rekord-Schuldenmacher. Doch der Liberale gibt sich stets gelassen. Eine Analyse.

    Christian Lindner ist ein Phänomen. Seine FDP hat bei den Landtagswahlen in diesem Jahr deutlich Federn gelassen, doch als Parteivorsitzender sitzt er fest im Sattel. Er ist mit dem Versprechen einer soliden Haushaltspolitik angetreten - und verantwortet nun binnen kürzester Zeit Milliardenschulden. Lindner ist machtbewusst und gibt sich zugleich immer recht locker. So geht er nicht nur offen auf Journalisten zu, sondern gilt auch in seinem Ministerium als sehr beliebt: Weil er sich nicht einigelt, sondern mit Mitarbeitern aller Hierarchieebenen den Kontakt sucht.

    Für einen lockeren Spruch immer zu haben

    Locker - das gilt besonders für seine Rhetorik. Erneuerbare Energien wurden von ihm in "Freiheitsenergien" umbenannt, sein Finanzministerium bezeichnet er als "Ermöglichungs-Ministerium". Und wenn er, wie im YouTube-Format "Kreuzverhör" auf die Frage angesprochen wird, wann denn Cannabis legalisiert wird, dann zeigt er schon mal, dass er auch Jugendsprache beherrscht: "2023 Bubatz legal". Bubatz – ein in der Szene verwendetes Wort für einen Joint.

    Sein Ziel: eine solide Haushaltspolitik

    Klar ist aber auch: Zu seinem Markenkern hat Lindner die Finanzpolitik erkoren. Keine Steuererhöhungen, kein Aufweichen der Schuldenbremse. Diese Bedingungen für den Eintritt in die Regierung hat er im Koalitionsvertrag der Ampel untergebracht, gegen Widerstände von SPD und Grünen, die das im Bundestag schon mal hinterfragen.

    Doch bei der Wirtschaft hört man das gerne. So beim Steuerforum des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, wo Lindner mit Blick auf die Vorweihnachtszeit versicherte: "Fürchtet euch nicht. Mit dieser Koalition und diesem Bundesfinanzminister wird es keine Steuererhöhungen geben."

    Wobei: Auf Druck der EU musste Lindner erst vor wenigen Tagen einer Übergewinnsteuer für einzelne Energieunternehmen zustimmen - obwohl diese aus seiner Sicht rechtlich auf wackeligen Beinen steht.

    Die Schuldenbremse und die Sondervermögen

    Und was das Thema Schuldenbremse angeht, ist die Bilanz gemischt: Rein formal kann Lindner für das kommende Jahr einen Bundeshaushalt vorlegen, der zum ersten Mal seit 2019 wieder die Schuldenbremse des Grundgesetzes einhält. Das funktioniert aber nur, weil er sich noch in diesem Jahr Kredite für sogenannte "Sondervermögen" genehmigen ließ - für die Bundeswehr, für Klimaschutzprojekte und für die Energiepreisbremsen.

    Das wird ihm von der Opposition vorgehalten. Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg nennt Lindner einen Rekord-Schuldenmacher, der Bundeshaushalt sei nicht ehrlich und nicht nachhaltig. Die Umwidmung von Corona-Schulden in Kredite für den Klimaschutz wird von der Unions-Fraktion sogar vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt: im Eilverfahren bekommt die Union zwar nicht Recht, doch die Karlsruher Richter stellen in der Begründung kritische Fragen, die Lindner in den nächsten Monaten beantworten muss.

    Lindner gibt sich weiter gelassen. Er gibt zu, dass das Arbeiten mit Sondervermögen nicht ideal sei, aber - es sei nun mal Krise: "Ich lasse mich daran messen, dass ich nach der Krise und nach dem akuten Krieg zur Solidität der öffentlichen Finanzen zurückkehre."

    Mit dem Kanzler für die "arbeitende Mitte"

    Dabei hat Lindner auch in der Krise eigene Akzente gesetzt. So hat er steuerliche Entlastungen durchgesetzt, um die Folgen der Kalten Progression abzumildern. Es dürfe nicht sein, dass die Steuerbelastung wegen der Inflation steigt, ohne dass man mehr Kaufkraft hat.

    Bei SPD und Grüne war ein deutliches Grummeln zu vernehmen, weil hier auch die oberen Einkommensbezieher profitieren. Doch mit klarer Unterstützung von Bundeskanzler Scholz setzt sich Lindner hier durch. Beide sagen, die Politik müsse auch etwas für "die arbeitende Mitte der Bevölkerung" tun.

    Das Verhältnis zu Robert Habeck: ambivalent

    Innerhalb der Regierung pflegt Lindner zu Beginn ein freundschaftliches Verhältnis zu seinem Kabinettskollegen Robert Habeck, der wohl auch gerne Finanzminister geworden wäre. Es gibt Diskussionen, bei denen sich die beiden humorvoll auf den Arm nehmen – so, wenn Lindner bekennt, er sei ein Freund des Fünf-Liter-Autos, was sich im Unterschied zu Habeck aber nicht auf den Verbrauch, sondern auf den Hubraum beziehe. Oder, wenn Habeck sagt: "Christian Lindner kann gut rechnen und ist ein schneller Denker, der wird den Haushalt schon zusammengefummelt bekommen." Was Lindner leise, aber doch vernehmlich mit den Worten kommentiert: "Das stimmt." Lautes Lachen im Saal.

    Atom-Streit: Lindner zeigt sich hochzufrieden

    Das Verhältnis kühlt sich dann aber doch erheblich ab - auch zwischen den beiden Ministerien hakt es oft. Am deutlichsten wird das, als Lindner den Vorschlag von Habeck zur Verlängerung der Laufzeit von lediglich zwei Atomkraftwerken blockiert. Der Kanzler muss mit einem Machtwort entscheiden, dass alle drei noch laufenden Kraftwerke bis zum Frühjahr weiter am Netz bleiben. Eigentlich nur ein kleiner Sieg für Lindner - er hatte sich für ein Weiterlaufen bis 2024 eingesetzt, doch während Habeck sichtlich enttäuscht ist, zeigt sich Lindner hochzufrieden.

    Symptomatisch für Lindner, der in der Regierung in einer Sandwich-Position ist. SPD und Grüne nehmen ihn und die FDP oft als Bremser wahr, die eigenen Leute dagegen vermissen das liberale Profil. Aber auch dazu hat er, wie so oft, einen flotten Spruch drauf: "Es ist eine beklagenswerte Realität, aber auch ich muss sie anerkennen: Die FDP hat bei der Bundestagswahl die absolute Mehrheit verfehlt."

    Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

    "Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!