Die USA schießen einen chinesischen, mutmaßlichen Spionageballon ab. Chinas oberster Außenpolitiker wirft den USA eine Kampagne gegen sein Land vor. Die Spannungen zwischen den beiden Großmächten sind in den vergangenen Wochen immer größer geworden. Es geht um die Frage: Wer wird die Weltmacht Nummer eins? Im Mittelpunkt: Die Insel Taiwan vor der Küste Chinas. Dort ringen die beiden Weltmächte um ihre Vormachtstellung. Was kommt auf die Welt zu, wenn die Lage jedoch eskalieren sollte? Dieser Frage geht das neue "Possoch klärt"-Video nach.
Hanns Maull, Politikwissenschaftler vom Mercator Institute for China Studies, befürchtet weitreichende Konsequenzen:
"Ehrlich gesagt, möchte ich mir das lieber gar nicht genau vorstellen, denn die Konsequenzen wären vermutlich weltweit ziemlich verheerend." Hanns Maull, Mercator Institute for China Studies
Wie wahrscheinlich ist die direkte Eskalation der beiden Großmächte?
China vs. USA
"Wenn China unsere Souveränität bedroht, werden wir handeln, um unser Land zu beschützen. So wie wir es getan haben." Deutliche Worte von US-Präsident Joe Biden bei seiner State-of-the-Union-Rede Anfang Februar. Er nimmt dabei Bezug auf den chinesischen Ballon über US-Gebiet, den die USA abgeschossen haben. Die Botschaft ist klar: Die USA wollen zeigen, dass sie sich nichts gefallen lassen.
China spielt dieses Spiel mit. Wang Yi, der oberste Außenpolitiker Chinas, äußerte sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz ebenso deutlich: "Die USA nutzen alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, um eine Schmutzkampagne gegen China zu fahren."
Wie nah stehen die USA und China vor einem direkten Konflikt? "In den USA sind viele auf jeden Fall sehr, sehr schnell sehr nervös, wenn es ums Thema China geht", schätzt ARD-Korrespondent Arne Bartram aus dem Studio Washington die Lage ein.
Im Video: China vs. USA – Droht ein neuer Krieg? Possoch klärt!
Die Rolle Taiwans im Konflikt mit China
Mittelpunkt des Konflikts China-USA ist das Süd- und Ostchinesische Meer, vor allem: Taiwan. Der Inselstaat sieht sich seit 1949 selbst als souverän an. Früher war er auch lange Zeit Teil von China. Die Regierung Taiwans ist demokratisch gewählt. Ganz im Gegenteil zur autokratischen Volksrepublik China, von der Taiwan unabhängig sein möchte.
Das steht allerdings im Gegensatz zu Pekings "Ein-China-Politik". Für China und vor allem für Präsident Xi Jinping besteht kein Zweifel: Taiwan ist eine abtrünnige Provinz, gehört zum chinesischen Reich und soll bis spätestens 2049 mit der Volksrepublik China wiedervereinigt sein. China geht es da einerseits um Ideologie, andererseits aber auch um Handelsrouten, wirtschaftliche Interessen und vor allem geostrategische Knotenpunkte. Taiwan liegt schließlich direkt vor der chinesischen Küste.
Warum Taiwan auch für die USA wichtig ist
Die USA waren bisher der "Big Player" in Ostasien, eine Weltmacht im Pazifik, wirtschaftlich, politisch und militärisch. Sollte Taiwan an das autokratische China fallen, dann hätten die USA ein großes Problem, führt Angela Stanzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik aus: "Für die USA gibt es in Asien diese Pufferzonen, die zwischen den USA und China stehen. Nehmen wir mal an, China überfällt Taiwan und nimmt Taiwan ein, dann fällt diese Pufferzone, weil China dann im Stande wäre, dieses ganze Gebiet in Asien und eben auf dem Weg zu den USA zu kontrollieren."
Das hieße zwar nicht, dass China dann sofort imstande wäre, die USA zu überfallen. Aber es würde laut Stanzel auf jeden Fall die Dominanz der USA in Asien beenden.
Hanns Maull bringt dabei die Schlüsselrolle Taiwans auf den Punkt:
"Wer Taiwan auf seiner Seite hat oder Taiwan kontrolliert, der dominiert auch die Sicherheitsordnung, die regionale Ordnung Ostasiens." Hanns Maull, Mercator Institute for China Studies
Zuletzt hatte auch ein amerikanischer Vier-Sterne-General gemutmaßt: 2025 schon könnten die USA mit China Krieg um Taiwan führen.
China-USA-Konflikt: Auswirkungen auf Deutschland
Der Ukraine-Krieg hat in Deutschland vielen Menschen gezeigt, welche Konsequenzen es hat, wenn ein Handelspartner Deutschlands Kriegspartei wird: Lebensmittel, Benzin, Öl, Gas wurden teurer. 2021 haben Deutschland und Russland noch Geschäfte im Wert von 60 Milliarden Euro gemacht.
China war 2020 zum fünften Mal in Folge Deutschlands größter Handelspartner – mit einem Handelsvolumen von 212 Milliarden Euro. Die Verflechtungen zwischen Deutschland und China sind also um ein Vielfaches größer als mit Russland. Sollte China eine Kriegspartei werden und Deutschland seine Beziehungen kappen müssen, könnten die Auswirkungen hierzulande ebenfalls um ein Vielfaches größer sein.
Das hat auch und vor allem mit Taiwans Spitzenexport zu tun: Chips.
Fast alle Computerchips kommen aus Taiwan
Computerchips: Halbleiter, die in all unseren modernen Alltagsprodukten zu finden sind, egal ob Waschmaschine, Spielekonsole oder Smartphone. Gut 60 Prozent aller Chips weltweit werden in Taiwan produziert. Von den für Hochtechnologien besonders wichtigen "advanced Chips" sogar 92 Prozent.
Und weil der Herstellungsprozess extrem komplex ist, gibt es hierfür – im Unterschied zu russischem Gas und Öl – weltweit keine richtigen Alternativen. Hanns Maull vom Mercator Institute for China Studies spricht daher von Chips als "das Erdöl des 21. Jahrhunderts".
Erklärt China den USA bald den Krieg?
Neben dem militärischen Schauplatz rund um Taiwan spitzt sich die Lage also vor allem im wirtschaftlichen Technologie-Bereich zwischen diesen beiden Supermächten immer mehr zu. Es ist ein Wettbewerb um die Vormachtstellung in der Welt – wie wahrscheinlich ist der große Knall?
Das Problem für beide Seiten: Sie sind extrem voneinander abhängig. Tatsächlich haben die USA und China vergangenes Jahr mit einem Warenaustausch von 690,6 Milliarden US-Dollar einen neuen Rekord aufgestellt.
"Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Amerika und China aufzulösen, das ist das ökonomische Äquivalent der Atombombe. Das wäre verheerend für den einen wie für den anderen." Hanns Maull, Mercator Institute for China Studies
Sollten die beiden Länder wirklich militärisch aufeinandertreffen oder ihre wirtschaftlichen Beziehungen einstellen, es hätte nicht nur für die USA und für China weitreichende Konsequenzen, sondern für die ganze Welt.
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