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Carlo Cottarelli

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Carlo Cottarelli - Italiens designierter Regierungschef

Carlo Cottarelli - Italiens designierter Regierungschef

Carlo Cottarelli ist ein nüchterner Zeitgenosse. Ein Mann der Zahlen. Er weiß, dass er keinen Rückhalt im Parlament hat, wo die Fünf Sterne Bewegung und die Lega die Mehrheit haben. Aber er weiß, was jetzt von ihm verlangt wird: Vertrauen schaffen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Carlo Cottarelli ist ein Mann der Zahlen. Und er weiß genau, dass er keinen Rückhalt im Parlament hat, wo die Fünf Sterne Bewegung und die Lega die Mehrheit haben. Aber er weiß auch, was jetzt, inmitten der politischen Krise, in der Italien steckt, von ihm verlangt wird: Vertrauen schaffen. Noch bevor er offiziell vereidigt wurde, setzte er schon den Ton, der prägend sein wird für seine Übergangsregierung:

"In den letzten Tagen sind die Spannungen an den Finanzmärkten gewachsen. Ihr wisst, dass die Zinsen für Staatsanleihen teurer geworden sind. Aber trotzdem: die italienische Wirtschaft wächst noch, die Staatsverschuldung ist unter Kontrolle. Ich kann Euch absolut versichern, dass eine von mir geleitete Regierung mit den öffentlichen Finanzen sehr vorsichtig umgehen wird." Carlo Cottarelli

"Mr. Forbici" - "Herr Schere"

In Italien nennen sie ihn „Mr. Forbici“, also „Herrn Schere“. Vor etwa fünf Jahren wurde er bekannt als Sparkommissar, als einer, der der Politik sagt, wo der Staat sparen kann. Eine Zeit, die er selber nicht in allerbester Erinnerung hat. Denn Cottarelli hat eine unbequeme Botschaft – und er hat es sich nicht nur mit den Siegern der letzten Parlamentswahl verscherzt, die soziale Wohltaten verteilen wollten und nichts vom Sparen halten. Auch bei Matteo Renzi war er angeeckt.

"Meine Aufgabe war es, die Regierung dahingehend zu beraten, wie man bei den öffentlichen Ausgaben sparen kann. Ich habe das vier Monate für Enrico Letta gemacht, dann war die Regierung am Ende, Renzi kam und ich habe ihn acht Monate lang beraten. Ich habe meine Ratschläge gegeben, aber an einem gewissen Punkt hatte ich das Gefühl, dass es vielleicht besser ist, in die USA zurück zu gehen." Carlo Cottarelli

Cottarelli war lange beim Internationalen Währungsfonds

Dort war Cottarelli einige Jahre Direktor beim Internationalen Währungsfonds, inzwischen leitet der Professor die so genannte „Beobachtungsstelle für öffentliche Finanzen“ an der Università Cattolica in Mailand. Der Mann hat ein Ziel, das selten geworden ist in Italiens Politik: die Staatsverschuldung in den Griff bekommen, die Italien im Würgegriff hat. 2.300 Milliarden Euro Staatsschulden seien zu hoch, sagt der 64-Jährige, der in Cremona geboren wurde.

"Das ist schlecht für die italienische Wirtschaft, denn das setzt uns Risiken aus und bremst das Wachstum. Wir müssen die öffentlichen Ausgaben in den Griff bekommen. Wenn das gelingt, müssen wir auch noch versuchen, die Steuern zu senken, die zu hoch sind. Und dann brauchen wir auch noch etwas mehr Klarheit in den öffentlichen Dokumenten, die sich nur schwer lesen lassen." Carlo Cottarelli

Cottarelli fordert Bewusstseinswandel

Und weil auch Cottarelli weiß, dass die Politik in den letzten Jahren zu wenig getan hat, setzt er auf einen Bewusstseinswandel der Italiener. Er hat in den letzten Jahren drei gut verständliche Bücher geschrieben, die beschreiben, wie die Dinge stehen. Das neueste heißt übersetzt: „Die sieben Todsünden der italienischen Wirtschaft“ – darin schreibt er vom Problem der Steuerhinterziehung, von Korruption, von überbordender Bürokratie und einer langsamen Justiz. Probleme, über die in Italien schon lange viel geredet wird, und deren Bekämpfung zum Beispiel auch der Fünf Sterne Bewegung ein Anliegen sind. Doch nun, da die Regierungsbildung gescheitert ist, mit Cottarelli an der Spitze einer Technokratenregierung, hat man sich auf ihn eingeschossen – getreu der populistischen Logik: der Mann kommt aus dem Establishment. 

"Er heißt Carlo Cottarelli, kommt vom Internationalen Währungsfond – und ist einer von denen, die uns dauernd weisgemacht haben, das wir das Gesundheitssystem zerstören müssen, die Schule, und überall kürzen müssen, wo es nicht gut ist für die Staatsverschuldung. Aber die Schulden senkt man nicht mit Einschnitten bei der Gesundheit, sondern mit Investitionen auf Pump, wie in allen Ländern Europas. Nur uns erlauben sie nicht, das zu machen." Luigi di Maio, Fünf Sterne Bewegung

Kritik an der Sparpolitik

Dumm nur, dass der Politiker Luigi di Maio von der Fünf Sterne Bewegung von der noch vor der Wahl im Interview mit der ARD ganz anders gesprochen hatte: da teilte er die Ziele des „Mr. Forbice“ noch und wollte ebenfalls sparen: 

"Wir haben die Spending Revue. Wir sparen 30 Milliarden von mehr als 800 Milliarden an Staatsausgaben. Es gibt schon einen Plan, den Profis gemacht haben, wie Cottarelli und andere – den wollen wir anwenden." Luigi di Maio, Fünf Sterne Bewegung

Doch dazu kommt es nun erst einmal nicht. Stattdessen wird Carlo Cottarelli in den nächsten Monaten bis zur Neuwahl vor allem rhetorisch um Vertrauen werben müssen – mit Sätzen wie diesen:

"Italien ist dem Euro etwas unvorbereitet beigetreten. Man dachte, man könnte so weitermachen wie vorher, mit einer hohen Inflation, einer Kostensteigerung. Ich spreche von den Jahren 2000 bis 2008. Es war höher als in den Ländern Nordeuropas. Dadurch haben wir an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Aber jetzt holen wir auf. Ich glaube, dass Italien im Euro bleiben kann, absolut. Italien kann seine Probleme lösen." Carlo Cottarelli

Doch dazu bräuchte es eine stabile Regierung – der man wünschen darf, dass sie sich das ein oder andere Buch von Carlo Cottarelli zu Herzen nimmt.

(Von Jan-Christoph Kitzler)