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Gefangen bei den Salafisten in Syrien

Gefangen bei den Salafisten in Syrien

Nach acht Monaten in Gefangenschaft der syrischen al-Nusra-Front gelang dem UN-Mitarbeiter Carl Campeau die Flucht. Jetzt erzählt der Kanadier über seine Erlebnisse im Jahr 2013: Über Folter, Isolation und die Zwangskonversion zum Islam.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Normalerweise ist es eine kurze Fahrt von den Golan-Höhen nach Damaskus, erzählt Carl Campeau. In seinem Fall dauerte sie aber acht Monate. Der 53-jährige Jurist arbeitete als Berater für eine UN-Mission im syrisch-israelischen Grenzgebiet. Schon viele Male fuhr er diese Strecke – doch im Februar 2013 wurde er von den Mitgliedern der Al-Nusra-Front verschleppt.

Gefangen in einem Kinderzimmer

Sein Gefängnis: Ein winziges Kinderzimmer in einem normalen Wohnhaus. "Sie drohten damit, mich umzubringen. Ich glaube, ich war viele Male kurz davor", erzählt Campeau. Für sein Leben forderten die Entführer von der Kanadischen Regierung Geld oder den Tausch von Geiseln. Neben der Angst vor dem Tod, war die Isolation und die Langeweile für ihn am schwersten zu ertragen. Seine Entführer versuchten immer wieder, ihn durch Gespräche und Drohungen zur Konversion zum Islam zu bringen.

"Ich fühlte mich in zweifacher Hinsicht vergewaltigt. Nicht nur körperlich, sie versuchten in meinen Verstand und meine Seele einzudringen. Das hat mich wütend gemacht und darum habe ich mich so lange geweigert, zu konvertieren." Carl Campeau

Seine Verweigerung führte zu strenger Einzelhaft. Alle seine persönlichen Gegenstände wurden ihm weggenommen. In der Einsamkeit hatte er Angst verrückt zu werden. „Ich tat alles, was ich konnte, um nicht völlig überzuschnappen.“ schreibt er in seinem Buch. Nach sieben Monaten Widerstand entschloss er sich doch zum Islam zu konvertieren.

Als er einem seiner Entführer seinen Entschluss mitteilte, beglückwünschte ihn dieser zu dem Schritt. Später sagte er ihm: "Jetzt, wo du unser Bruder geworden bist, können wir dich nicht mehr töten." Ob das stimmte, weiß Campeau nicht. Doch indirekt rettete ihm die Konversion tatsächlich sein Leben, da seine Geiselnehmer nach einem gemeinsamen Gebet vergaßen, ihn wieder einzusperren. Als sie gingen, nutzte er die Gelegenheit zur Flucht.

Wiedersehen vor Gericht

Anfang diesen Jahres traf Campeau wieder auf einen seiner Geiselnehmer, der als anerkannter Flüchtling in Deutschland aufgenommen worden war. 2016 wurde der Syrer festgenommen und wegen erpresserischem Menschenraub und Kriegsverbrechen vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht angeklagt. Campeau war Hauptzeuge im Prozess gegen ihn. Am 20. September wurde der Syrer zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Für Campeau ist das ein angemessenes Strafmaß.

"Ich glaube nicht, dass er eine bedeutende Rolle gespielt hat. Ich glaube, die Strafe sollte sich daran orientieren, was er gemacht hat." Carl Campeau

Eine allzu hohe Strafe lehne auch er ab, weil sie möglicherweise dazu führen könne, dass der Syrer auf Rache sinne oder sich weiter radikalisiert. Carl Campeau hatte seine Geiselnahme überlebt, und doch hat sie ihn für immer verändert: „Ich habe noch immer mit der Wut zu kämpfen, sie nimmt langsam ab, aber etwas von diesem Erlebnis ist geblieben."


Carl Campeaus Buch "Meine Seele kriegt ihr nie" ist im Herder Verlag erschienen und kostet 20 Euro.