In der Schule sei "schon viel schiefgegangen", schildert Jonathan. Der junge Mann, heute 23 Jahre alt und Angestellter im IT-Bereich, rutschte in seiner Jugend in eine Cannabis-Abhängigkeit. Er kiffte gemeinsam mit Freunden, wollte cool sein. Jonathan wusste, so berichtet er, viel zu wenig darüber, wie Cannabis wirkt – dass es Suchtpotenzial hat. Und das, obwohl auch an seine Schule externe Präventionsexperten zur Drogen-Aufklärung kamen.
Den Jugendlichen erreichte ihre Botschaft damals offenbar nicht: Die eigenen Erfahrungen passten nicht zu den Schilderungen der Experten, die vor allem vor schneller Abhängigkeit gewarnt hatten. Alles habe sich zunächst "erst einmal schön" angefühlt, der problematische Konsum aber habe sich erst mit der Zeit entwickelt und dann habe ein Ansprechpartner gefehlt, blickt der 23-Jährige zurück.
"Präventionsarbeit muss im Zuge der Legalisierung ausgebaut werden"
Heute hat Jonathan seine Sucht überwunden. Allerdings treibt ihn das Thema Prävention im Zuge der aktuellen Cannabis-Legalisierungsdebatte um. Wenn die Droge legal wird, so lautet seine Botschaft, müsse auch die Präventionsarbeit ausgebaut werden. Er hat sich deshalb nach der Berichterstattung in verschiedenen BR- und ARD-Formaten gemeldet, um BR24 seine Geschichte zu erzählen. Dabei ist er angesichts der Pläne der Ampelregierung nicht allein mit seiner Sorge um die Präventionsarbeit in Deutschland.
"Beratungsstellen verstärken"
Die Psychiaterin Iris Hauth, Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, etwa fordert, Beratungsstellen zu verstärken und Zielgruppen einzeln anzusprechen – sei es in Schulen oder Betrieben. Was bislang geschehe, reiche nicht aus, wenn Cannabis legalisiert wird.
Genau wie Kinder- und Jugendmediziner sieht sie das Gesetzesvorhaben kritisch. Gerade bei jüngeren Menschen sei das Risiko, abhängig zu werden, deutlich höher: "Bis zu 17 Prozent der jungen Leute werden abhängig. Und das sind möglicherweise auch junge Leute, die dann zu anderen Drogen greifen, zu härteren Drogen wie Heroin und Kokain. Unsere Gehirne wachsen bis Mitte 20, und insofern ist das natürlich ein riesiges Problem, da Cannabis im Gehirn an den Stellen andockt, wo Gedächtnis, Lernleistung, Konzentration, Antrieb entsteht." Geht es nach Iris Hauth, sollte die Droge – wenn überhaupt – dann erst mit 21 legal zu erwerben sein.
Freigabe ab 18 geplant
Die Ampelkoalition hingegen setzt sich für eine Freigabe ab 18 ein. Der Besitz und der Erwerb von bis zu 30 Gramm wären dann legal. Prüfen lässt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) derzeit, ob das Gesetz mit EU-Vorgaben übereinstimmt und ob es für Konsumenten bis 21 eine THC-Obergrenze geben soll.
Prävention spielt im Legalisierungs-Eckpunktepapier seines Ministeriums eine eher kleinere Rolle: Vorgesehen sind zwar "präventive Maßnahmen im Rahmen des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes", im Hinblick auf Details bleibt das Papier aber vage. Gelistet sind fast ausschließlich Maßnahmen, die es bereits gibt – etwa Suchtprävention in Schulen und Sportvereinen, eine bundesweite Internet-Plattform sowie Aufklärung in den sozialen Medien und Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen. Verhandelt wird Karl Lauterbach zufolge noch darüber, wie der Verkauf genau besteuert wird. Lauterbach wünscht sich, dass zumindest ein Teil etwaiger Steuern in die Aufklärung fließt. Fest zugesagt ist das bislang aber nicht.
Hoffnungen auf Steuermittel
Hoffnungen auf derartige Mittel macht sich unterdessen Suchtberaterin Anne Lubinski vom Suchthilfe-Verein Condrops. Condrops berät unter anderem Schulen in Bayern. Pro 100.000 Einwohner brauche es eine halbe oder ganze Stelle bei Gesundheitsämtern oder Beratungseinrichtungen, an die sich auch Familien wenden können, sagt Lubinski.
Dem ehemals Süchtigen Jonathan nach wäre schon viel gewonnen, wenn es überall feste Kontakte in Schulen gebe. Derjenige, der etwa Vorträge zur Drogenprävention halte, solle dauerhaft ansprechbar sein. Ihm schwebt "eine natürliche Anlaufstelle, zu der sich junge Leute auch gerne bewegen, wenn sie Probleme haben" vor.
Praxis in Bayerns Schulen
Im Freistaat, wo der regierenden CSU die Legalisierungspläne aus Berlin ein Dorn im Auge sind, sollen künftig jährlich 1.500 Klassen an allen Schularten durch externe Präventionsbeauftragte über Cannabis informiert werden.
Derzeit wird das Thema Prävention an Bayerns Schulen sehr unterschiedlich gehandhabt, wie Anrufe des BR bei mehreren zufällig ausgewählten Schulleitern in Bayern zeigen. Zwar setzen Schulen den Lehrplan um, der Drogenprävention in der 8. Klasse vorsieht, ansonsten aber ist die Herangehensweise variabel:
Manche Schulen haben einen Lehrer zum Präventionsbeauftragten benannt, manche laden externe Präventionsexperten ein, andere spendieren Extrastunden zur Drogenaufklärung, wenn sie von Süchtigen in einer Klasse erfahren. Wieder andere betrachten das Thema Drogen überhaupt nicht als Problem für ihre Schule. Ein Schulleiter wies im Gespräch darauf hin, dass die Kinder an seiner Schule keine Drogen nähmen, da es sich nicht um eine "Brennpunktschule" handle.
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