Bildrechte: picture-alliance/dpa

Erfassung minderjähriger Flüchtlinge

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

BVerwG verhandelt über Altersprüfung bei Flüchtlingen

Vor dem Bundesverwaltungsgericht geht es heute darum, wie das Alter von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen festgestellt werden soll. Zuletzt waren häufiger Straftäter mit falschen Altersangaben aufgefallen. Von Sylvia Stadler und Julia Kammler

Kläger im konkreten Fall ist ein junger Mann aus Afghanistan, der bei seiner Ankunft am Münchner Hauptbahnhof 2016 angab, erst 15 Jahre alt zu sein. Ausweispapiere konnte er nicht vorlegen und deshalb gab es wenige Tage später die sogenannte "qualifizierte Inaugenscheinnahme", ein etwa einstündiges Gespräch mit erfahrenen Jugendamtsmitarbeitern.

Diese kamen zu dem Schluss, dass der junge Flüchtling bei seiner Ankunft etwa achtzehneinhalb Jahre alt war - aufgrund von Körperbau und Bartwuchs, aber auch, weil der Mann widersprüchliche Angaben zur Dauer seiner Schulzeit machte. Er wurde in eine Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene verlegt. Dagegen reichte er Klage ein.

Ist bei Zweifeln eine ärztliche Untersuchung Pflicht?

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wird er nun nicht erscheinen; er wolle seinen Mandanten nicht vorführen, erklärte sein Anwalt. Beide Vorinstanzen gaben dem Kläger recht. Er mußte, wie von ihm gewünscht, vorläufig in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof München erklärte, gerade im Grenzbereich zwischen Volljährigkeit und Minderjährigkeit hätte es noch zusätzlich eine ärztliche Untersuchung geben müssen - Widersprüche in einem Gespräch und bloße äußere Merkmale reichten für die Alterseinschätzung nicht aus.

Die Frage, wann genau Zweifel angebracht und ärztliche Untersuchungen geboten sind, wird in den Bundesländern durchaus unterschiedlich gehandhabt. Für das Saarland etwa hatte deren damalige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer auf Erfolge mit einer einheitlichen Methode seit 2016 verwiesen:

"Wo es die Unsicherheit gibt über das Alter, wird mit entsprechenden schonenenden medizinischen Verfahren das Alter festgestellt."

Annegret Kramp-Karrenbauer, Ex-Regierungschefin im Saarland und jetzige CDU-Generalsekretärin

Laut Kramp-Karrenbauer wurde seither bei jedem dritten Fall in der Untersuchung festgestellt, dass es sich um Volljährige handelt und eben nicht um Jugendliche.

Schlüsselbein als entscheidendes Altersmerkmal

In der politischen Debatte darüber, auf welche Weise die Altersfeststellung erfolgen sollte, gab es auch immer wieder Zweifel daran, wie weit medizinische Tests gehen könnten und wie belastbar deren Ergebnisse überhaupt sind. Es gebe durchaus sichere Methoden, hatte zum Beispiel der Rechtsmediziner Andreas Schmeling von der Uniklinik Münster erläutert. Er verweist auf ein sogenanntes "höheres Entwicklungsstadium der Schlüsselbeinverknöcherung", das "zweifelsfrei die Vollendung des 18. als auch des 21. Lebensjahres" nachweisen könne.

Doch künftige Gesetzesvorgaben dürften in der mündlichen Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht allenfalls am Rande eine Rolle spielen. Der fünfte Senat muß lediglich entscheiden, ob die vorhandene Gesetzeslage im vorliegenden Fall korrekt angewandt wurde oder nicht. Ob er das aber heute überhaupt macht, ist noch unklar.

Vermutlich heute keine Entscheidung

Laut einer Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts wird heute mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Entscheidung in der Sache ergehen. Die Frage, ob unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in den meisten Fällen zur Altersfeststellung ärztlich untersucht werden sollen oder eine sogenannte qualifizierte Inaugenscheinnahme der Jugendamtsmitarbeiter reicht, wird wohl nicht geklärt werden. Der Grund: Das Verfahren soll aus prozessualen Gründen für erledigt erklärt werden. Das bestätigte auch der Anwalt des ursprünglichen Klägers dem Bayerischen Rundfunk.

Denn der Ursprung des Rechtsstreits - also die Frage, ob die Stadt München den Kläger vorläufig in einer geeigneten Kinder- oder Jugendhilfeeinrichtung unterbringen musste -, ist hinfällig. Der Kläger ist mittlerweile dauerhaft in einer solchen Einrichtung untergebracht.