Dürfen die bundesweit 650.000 beamteten Lehrer ebenso für höhere Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen streiken wie ihre 200.000 angestellten Kollegen? Was zählt mehr - das im Grundgesetz verankerte Streikverbot für Beamte oder das Streikrecht als Menschenrecht? Das wird morgen das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüfen.
Ist das Streikverbot verfassungswidrig?
In den Ausgangsfällen wurden vier beamtete Lehrer aus verschiedenen Bundesländern disziplinarisch verfolgt, weil sie sich an Streiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beteiligt hatten. Das Streikverbot ist laut Artikel 33 des Grundgesetzes zwar ein der Kernbestandteil der sogenannten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Doch ob dieser eherne Grundsatz weiterhin Bestand haben kann, wird von immer mehr Juristen bezweifelt - denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bezeichnete das Streikrecht bereits in zwei Urteilen als ein Menschenrecht, das den Beschäftigten nicht einfach mit Verweis auf einen Beamtenstatus abgesprochen werden könne. Einzige Ausnahme seien Beamte, die wie etwa bei Polizei, im Justizvollzug, Finanzbeamte oder Soldaten hoheitlich tätig sind.
Das Bundesverwaltungsgericht entschied dann 2014, dass das Streikverbot zwar grundgesetzkonform sei, außerhalb der hoheitlichen Staatsverwaltung aber gegen die Menschenrechtskonvention verstoße. Die Leipziger Richter forderten den Gesetzgeber auf, den Widerspruch von Menschenrechtskonvention und Grundgesetzartikel 33 aufzulösen. Dies geschah bislang noch nicht. Ob die Verfassungshüter die Rechtsauffassung des EGMR teilen, ist völlig offen.