Bundestagswahl 2021: Das fordern die Grünen
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Bundestagswahl 2021: Das fordern die Grünen

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Das Wahlprogramm der Grünen zur Bundestagswahl

Die Grünen treten für einen Politikwechsel an. Wie genau sie sich den vorstellen, beschreiben sie auf 110 Seiten ihres Wahlprogramms. Ihr Programm soll Wechselstimmung erzeugen und Alternativen zur bisherigen Politik der Großen Koalition aufzuzeigen.

Sozial-ökologische Transformation, klimagerechter Wohlstand, öffentliche Daseinsvorsorge – das sind die wichtigsten Schlagworte aus dem Wahlprogramm der Grünen. Mit "Deutschland. Alles ist drin" formulieren die Grünen auch einen klaren Machtanspruch und politische Führung.

Klima

Um klimaneutral zu werden, ist nach Ansicht der Grünen eine "Energierevolution" nötig. Das letzte Kohlekraftwerk soll 2030 vom Netz gehen – acht Jahre früher als bisher geplant. Ziel sei es, dass ab 2035 der gesamte Strom aus erneuerbaren Energien kommt, vor allem aus Windkraft.

Allein an Land soll jedes Jahr eine Leistung von fünf bis sechs Gigawatt dazukommen. Zum Vergleich: Die Kapazitäten der Windenergie in der deutschen Nordsee liegen momentan insgesamt bei 6,7 Gigawatt. Zwei Prozent der Fläche Deutschlands sollen zur Erzeugung von Windenergie ausgewiesen werden. Pauschale Mindestabstände wie die 10H-Regel in Bayern lehnen die Grünen ab.

Eine Solaranlage auf dem Dach wird nach Vorstellung der Partei zum Standard – faktisch also eine Pflicht, zunächst für Neubauten, öffentliche Gebäude und Gewerbe.

Wer beim Autofahren oder Heizen CO2 ausstößt, soll dafür zahlen. Ab 2023 müsse der CO2-Preis auf 60 Euro pro Tonne steigen (aktuell liegt er bei 25 Euro). Beim Heizen sollen allein die Hauseigentümer die Kosten der CO2-Abgabe tragen.

Die Einnahmen aus dem CO2-Preis gehen dann als Energiegeld an alle Menschen zurück. Die Ökostromumlage soll langfristig auslaufen. Das würde Strom wieder günstiger machen.

Das Aus des Verbrennungsmotors datieren die Grünen auf 2030. Ab dann sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Busse, Bahnen und Fahrradwege werden den Plänen zufolge ausgebaut.

Die Grünen unterstreichen, dass die Atomkraft nicht geeignet sei, die Klimakrise zu bekämpfen. So sei auch der Betrieb des Forschungsreaktors in Garching bei München zu beenden.

Steuern und Wirtschaft

Die Grünen wollen dafür sorgen, dass sich "reiche Menschen und große Konzerne ihrer Verantwortung stärker stellen." Das heißt konkret: Wer mehr als 100.000 Euro im Jahr verdient, soll künftig 45 Prozent Steuern zahlen (aktuell: 42 Prozent). Ab 250.000 Euro wird nach Vorstellung der Grünen ein Spitzensteuersatz von 48 Prozent fällig. Wer mehr als zwei Millionen Euro besitzt, könnte zudem eine Vermögenssteuer von einem Prozent zahlen. Das Geld daraus sollen die Länder in die Bildung stecken.

Diese Forderung nach höheren Steuern dürfte in möglichen Koalitionsgesprächen zu den größten Hürden gehören – insbesondere für die Union und die FDP.

Für den Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität planen die Grünen jährliche Investitionen von 50 Milliarden Euro. Das Geld soll zum Beispiel in die Forschung für Batteriezellen für E-Autos fließen. Aus der Wirtschaft bekommen die Grünen dafür große Zustimmung. Die politische Konkurrenz warnt vor zu hohen Investitionen auf Pump. Ein Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld soll dafür sorgen, dass keine Jobs beim Umbau der Wirtschaft auf der Strecke bleiben.

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Digitalisierung

Für die Grünen ist die Digitalisierung neben der Klimaneutralität ein entscheidender Umbruch für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Grünen wollen sich für einen Rechtsanspruch auf eine schnelle Internetverbindung einsetzen.

Internetgiganten müssen nach Ansicht der Partei stärker reguliert werden. Unternehmen sollten zerschlagen werden können, wenn ihre Marktmacht zu groß wird.

Voraussetzung für den digitalen Wandel sei eine gute IT-Sicherheit. Beim 5G-Ausbau sei auf die digitale Souveränität Europas und die Einhaltung der Menschenrechte zu achten - wenn auch nicht wörtlich genannt, ist das ein Verweis auf die Rolle Chinas beim Netzwerkausrüster Huawei.

Die Grünen betonen die Chancen der Digitalisierung, etwa bei der Gesundheitsversorgung, in der Mobilität und der Verwaltung. Außerdem ermögliche die Digitalisierung, dass mehr Menschen auf dem Land leben und von dort arbeiten können.

Wohnen

Die Grünen wollen ein Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. In den nächsten zehn Jahren sollen eine Million zusätzliche Sozialwohnungen entstehen. Investoren bekämen Zuschüsse, um dauerhaft günstige Wohnungen zu bauen. Durch diese "Wohngemeinnützigkeit" sollen nochmal eine Million zusätzliche Wohnungen entstehen.

Mietobergrenzen für bestehende Wohnungen (wie der gescheiterte Mietpreisdeckel in Berlin) sollen mit Hilfe eines Bundesgesetzes möglich gemacht werden. Mieten dürften nur noch um maximal 2,5 Prozent im Jahr steigen. Die Mietpreisbremse soll zudem dauerhaft bleiben, Ausnahmen wie für möblierte Wohnungen sollen fallen.

Die Grünen wollen die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen einschränken und Steuertricks beim Immobilienkauf erschweren. Die Kosten für Klima-Modernisierungen (z.B. Dämmung oder neue Fenster) sollen sich Mieter, Vermieter und der Staat zu jeweils einem Drittel teilen.

Bildung

Im Wahlprogramm der Grünen heißt es: "Jedes Kind hat ein Recht auf eine gute Schule, egal, wo es lebt." Jedes Grundschulkind soll einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung und Betreuung bekommen. Gemischte Teams aus Lehrkräften, Sozialarbeitern, Erzieherinnen und Psychologen sollen gestärkt werden. Das Ziel: eine individuellere Förderung.

Zusätzliche Angebote im Sport und in der Kultur sollen einen "Corona-Rettungsschirm" spannen. Tablet und Laptop werden nach Vorstellung der Grünen so selbstverständlich wie Atlas und Englischbuch. Jedem jungen Menschen soll eine Ausbildung garantiert werden. Außerdem verlangen die Grünen einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung, unterstützt durch ein Weiterbildungs-BAföG. Das bisherige BAföG soll zu einer Grundsicherung für alle Studierenden und Auszubildenden umgebaut werden.

Der Bildungsföderalismus muss nach Ansicht der Grünen überarbeitet werden. Im Wahlprogramm heißt es, die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen solle verfassungsrechtlich abgesichert werden.

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Gesundheit/Rente

Die Grünen verbinden das Thema Gesundheit in ihrem Wahlprogramm immer wieder mit dem Klimawandel. So würden schon jetzt vor allem ältere und armutsgefährdete Menschen unter Hitzewellen und anderen Extremwetterlagen leiden.

Auch das Stichwort "Daseinsvorsorge" fällt im Gesundheitskapitel des Wahlprogramms. Das bedeutet, dass der Staat dafür sorgt, dass die Menschen überall ein gutes Leben führen können – zum Beispiel schnelles Internet, Busse, Kultureinrichtungen oder Krankenhäuser.

Die Grünen wollen die Privatisierung im Gesundheitswesen umkehren. Kliniken sollen nicht nur nach Fallzahlen finanziert werden, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag. Als Lehre aus der Corona-Pandemie soll der öffentliche Gesundheitsdienst ausgebaut werden.

Eine Bürgerversicherung, in die auch Beamte, Selbstständige und Unternehmer einzahlen, soll die "Zwei-Klassen-Medizin" zwischen Privat- und Kassenpatienten beenden. Auch in der Pflege setzen die Grünen auf eine Bürgerversicherung.

Bei der Rente will die Partei eine zusätzliche Säule aufbauen: Die Riester-Rente soll durch einen Bürgerfonds ersetzt werden. Der öffentlich verwaltete Fonds legt das Geld der Beitragszahler an und versucht es zu vermehren. So etwas gibt es zum Beispiel schon in Schweden.

Migration

Die Grünen vermissen eine aktive Einwanderungspolitik. Sie sprechen sich für ein Punktesystem aus – mit einer Talentkarte, die nicht nur Bildungsabschlüsse berücksichtigt.

Migranten und Flüchtlinge sollen maximal drei Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und kostenlose Sprach- und Integrationskurse erhalten. Arbeitsverbote, Wohnsitzauflagen und Leistungskürzungen für Asylbewerber sollen abgeschafft werden; Kinder unabhängig von der Bleibeperspektive in Kitas und Schulen unterrichtet werden.

Sichere Herkunftsstaaten wollen die Grünen generell nicht mehr ausweisen. Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer wie Syrien und Afghanistan lehnt die Partei ab. In der europäischen Flüchtlingspolitik schlagen die Grünen EU-Registrierungszentren in Ländern mit Außengrenzen vor. Eine EU-Agentur solle die Anträge bearbeiten. Aufnahmebereite Länder bekommen nach Vorstellung der Partei Geld aus einem EU-Fonds. Andere müssen entsprechend zahlen.

Die Grünen sprechen sich dafür aus, dass Menschen ihre Asylanträge digital in deutschen Botschaften stellen können, um legale Fluchtwege zu schaffen. Die EU solle die Seenotrettung koordinieren und finanzieren.

Außenpolitik

Den Grünen ist die bisherige Außenpolitik zu passiv. Deutschland habe allenfalls moderiert, oft gezögert und sei abgetaucht. Vor allem gegenüber China und Russland tritt die Partei für eine härtere Gangart ein – immer in Zusammenspiel mit den europäischen Partnern. Insgesamt wollen die Grünen Menschenrechte und Klimaschutz ins Zentrum ihrer Außenpolitik stellen.

Die Grünen bezeichnen die NATO als unverzichtbar. Ihr fehle allerdings eine klare strategische Perspektive. Rüstungsexporte sollen nach Ansicht der Partei stärker kontrolliert werden. Die Bundeswehr brauche eine bessere Ausstattung.

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