Das ohrenbetäubende Surren, als hätte man einen Bienenschwarm direkt im Gehörgang, ist eine der bleibenden Erinnerungen an die WM von 2010. Vuvuzelas, die langen, bunten Tröten, ursprünglich aus dem Horn einer Kudu-Antilope. 800.000 Vuvuzelas wurden damals in Südafrika verkauft, eine weitere Million im Rest der Welt.
Misim Cube, damals Sportreporter, erinnert sich vor allem an das Eröffnungsspiel: "Am ersten Tag spielte Südafrika gegen Mexiko und ganz Johannesburg war ein Meer aus Fußballfans und Mexikanern, die sangen: 'Mexiko, Mexiko'."
Südafrika nach Fußball-WM - Infrastruktur funktioniert nicht
Bafana Bafana, die südafrikanische Nationalmannschaft, schrieb Geschichte, weil sie als bis dato einzige Gastgebermannschaft schon in der Gruppenphase ausschied. Da half auch Zakumi nicht, das Maskottchen: ein Leopard mit grünem Zottelhaar und grün-gelbem Sporttrikot, den Farben von Bafana Bafana.
Vieles war ernüchternd. Der damalige Staatspräsident Jacob Zuma hatte kurz vor der WM von 70.000 neuen Jobs gesprochen und von umgerechnet 75 Milliarden Euro Investitionen in die Infrastruktur über 2010 hinaus. Zwölf Jahre später titelt das größte Online-Wirtschaftsmagazin des Landes: "Südafrika fällt langsam in sich zusammen". Denn die Organisation für Bauingenieurwesen Zeiss stuft die soziale Infrastruktur im Land als nicht funktionsfähig ein.
Die meisten Stadien sind heute nicht rentabel
Straßen, Schienen, Stromversorgung, Hygiene und die WM-Stadien von damals: Sie sollten dem Fußball im Land am Kap zu nachhaltigem Aufwind verhelfen. Der wäre auch so entstanden, sagt Ex-Sportreporter Cube nüchtern: "Mit oder ohne WM? In diesen zwölf Jahren hätte Südafrika diese Stadien auf jeden Fall gebaut."
Aber er gibt auch zu bedenken, dass es nur wenige große Klubs in Südafrika gäbe, die Zehntausende Fans anlocken. Fast alle zehn WM-Stadien schreiben rote Zahlen. Nur im größten Stadion Afrikas, dem FNB-Stadion in Johannesburg, sind die Ränge gut besetzt. Mal bei Popkonzerten, mal bei Parteiversammlungen, mal bei religiösen Großveranstaltungen.
Südafrikas Fußballplätze mittlerweile marode
Ende Oktober war das einstige WM-Final-Stadion beim Soweto-Derby zwischen den Kaiser Chiefs und den Orlando Pirates mit mehr als 90.000 Fans ausverkauft. Der Johannesburger Fußball-Coach und Blogger Husmann Matt Faser sagt, die großen Stadien seien gut für diejenigen, die in der Nähe leben. Überall sonst seien die Fußballplätze aber mittlerweile völlig marode und ungeeignet fürs Nachwuchstraining: "Wenn du einem Sechs- oder Siebenjährigen beibringen willst, wie er mit dem Ball kontrollierte Pässe macht, dann muss das Spielfeld eben sein. Das ist schwierig, weil es einen Haufen Löcher hat."
Der Sog der WM von 2010 hat im Fußball Südafrikas nur kurz angehalten. Jetzt sei alles wie zuvor. Was beim Weltcup passiert ist, sei ein oder vielleicht zwei Jahre weitergegangen. "Danach haben wir davon nichts mehr gesehen. Deshalb bringt unsere Nationalmannschaft auch nicht viel zustande", sagt Misim Cube.
Positiv: Fußball-WM änderte das Bild von Afrika
Und der Tourismus? Das Turnier sollte das Bild von Afrika positiv verändern. Das hat es wohl auch. Im Abschlussbericht der Regierung heißt es humorvoll: "Manche Besucher sind vielleicht überrascht gewesen, sich nicht in einem Entwicklungsland wiederzufinden. Und das Beste: Wir hatten keine Löwen in den Straßen. Und es gab Geldautomaten."
Gut 300.000 Fußballfans pilgerten vor zwölf Jahren nach Südafrika - weniger als erhofft, aber der Tourismus insgesamt legte zweistellig zu, auch in den Folgejahren, bis der Boom ab 2016 nachließ. Südafrika braucht also dringend eine zweite WM, um alles wieder ins Lot zu bringen, fordert Sportreporter Cube: "Afrika kann das, Afrika hat das schon getan, und es gab keine Verbrechen."
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