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Streit um Borreliose-Therapie

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Borreliose: Mediziner warnen vor umstrittenen Therapien

Borreliose: Mediziner warnen vor umstrittenen Therapien

Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragbare Krankheit. Doch wie sie behandelt werden soll, darüber gibt es Streit. Die Vorwürfe: zweifelhafte Diagnoseverfahren und gefährliche Therapien. Von Christiane Hawranek

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Unbestritten ist: Bei Borreliose helfen Antibiotika. Doch: Medizinische Fachgesellschaften warnen vor unnötig langen Therapien über mehrere Monate.

„Man kann Allergien entwickeln, man kann einen Darmdurchbruch kriegen, man kann daran sterben letztendlich.“ Dr. Volker Fingerle, Nationales Referenzzentrum für Borrelien

Der Infektiologe Dr. Fingerle ist der Meinung, dass die Krankheit zu häufig vorschnell diagnostiziert werde. Das liege auch an umstrittenen Bluttests.

„Zu vielen Tests gibt es keine sinnhaften, wissenschaftlich anerkannten Studien, die zum Ergebnis kommen, sie seien für die Routinediagnostik geeignet.“ Dr. Volker Fingerle, Nationales Referenzzentrum für Borrelien

Offiziell empfohlene Tests bei Verdacht auf Borreliose

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt einen sogenannten Stufentest, um spezifische Antikörper im Blut nachzuweisen: Erst sollte der „ELISA“-Test durchgeführt werden. Falls der positiv ist, folgt der „Immunoblot“ als Bestätigungstest. 

Oft glauben Eltern, ihr Kind habe Borreliose

Der Münchner Kinderarzt Dr. Philipp Schoof hat immer wieder mit Eltern zu tun, die überzeugt davon sind, ihr Kind habe Borreliose. Oft stelle er dann aber fest: Das stimmt gar nicht.

„Unspezifische Symptome werden quasi mit Pseudo-Tests auf eine Krankheit zurückgeführt, die das Kind gar nicht hat. Der Mensch sucht ja nach Kausalität. Daher ist es verführerisch, für ein Kind, das sich schlecht konzentrieren kann, eine Infektion anzunehmen - auch als Eltern. Daher fällt es leicht, die Eltern von solch einer Diagnose zu überzeugen. Seriös und medizinisch verantwortlich ist so ein Vorgehen aber überhaupt nicht.“ Dr. Philipp Schoof, Kinderarzt

Kritik an Langzeit-Antibiotika-Therapien für Kinder

Kinderarzt Dr. Philipp Schoof erklärt: In der Wissenschaft gehe man allgemein davon aus, dass eine Behandlung mit Antibiotika, die ein halbes Jahr oder länger dauere, das Leben des Kindes gefährden könne.

Auch viele andere Ärzte betonen: Langzeit-Antibiotika-Therapien können eher schaden als nützen. Gegen Borrelien würde bei Kindern oft schon die Antibiotika-Gabe von 14 Tagen reichen. Die länger andauernden Beschwerden, die teils als chronische Borreliose gedeutet werden, seien auf den Schaden zurückzuführen, den die Borrelien zum Beispiel in Gelenken verursacht haben.

„Die Borrelien sind durch ein Antibiotikum behandelbar. Die Arthritis, also die Gelenksentzündung, kann aber weitergehen, auch wenn die Borrelien behandelt wurden. Dann muss man die Gelenksentzündung extra behandeln, allerdings nicht mit Antibiotika, sondern mit Medikamenten gegen die Entzündung und mit Krankengymnastik.“ Prof. Johannes-Peter Haas, ärztliche Direktor der Kinderrheumaklinik Garmisch-Partenkirchen

Der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages hat mehrere Borreliose-Studien ausgewertet. Demnach könne es bei verlängerten Antibiotika-Behandlungen unter anderem zu folgenden Nebenwirkungen kommen: Embolien, toxischen Reaktionen, inneren Blutungen – sie können sogar lebensbedrohlich sein.

Wie äußert sich Borreliose?

-      Viele Patienten bemerken nur die Wanderröte: eine kreisrunde Hautrötung, etwa 5 Zentimeter groß. 

-      Befallen Borrelien die Gelenke, kann es zur Lyme-Arthritis kommen. Die Gelenksentzündung betrifft meistens das Knie, das stark anschwellen kann.

-      Besonders gravierende Beschwerden kann die Neuroborreliose hervorrufen, die das Gehirn und die Nervenbahnen betrifft: Es können Lähmungen auftreten, in den Beinen oder im Gesicht. 

Allgemein gilt: Wer die Zecke schnell entfernt, hat ein geringes Risiko zu erkranken. Und auch wenn Borreliose im Frühstadium mit Antibiotika behandelt wird, treten in der Regel keine Spätfolgen auf.