Der SPD-Politiker Boris Pistorius tritt heute sein Amt als Bundesverteidigungsminister an. Vor der Überreichung der Ernennungsurkunde hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue der bisherigen Ministerin Christine Lambrecht ihre Entlassungsurkunde ausgehändigt.
Neuer Verteidigungsminister leistete Amtseid
Danach leistete Pistorius im Bundestag den Amtseid, wobei er auf die Formel "so wahr mir Gott helfe" verzichtete. Steinmeier wünschte dem bisherigen Innenminister des Landes Niedersachsen "Durchhaltevermögen, gutes Gelingen und eine glückliche Hand". "Deutschland ist nicht im Krieg", betonte der Bundespräsident. Für das Land beginne aber eine Epoche im Gegenwind. "Wir müssen auf Bedrohungen reagieren, die auch auf uns zielen."
Es komme jetzt darauf an, die Bundeswehr abschreckungsfähig und verteidigungsbereit zu machen, sagte Steinmeier. "Und dafür braucht es eine modernere und umfassendere Ausrüstung, eine effizientere Beschaffung, eine solidere Personaldecke und Aufmerksamkeit und Respekt für die Truppe." Es sei keine Zeit zu verlieren.
Pistorius: Größter Teil der Zeitenwende liegt noch vor uns
Anschließend wurde Pistorius im Bundesverteidigungsministerium mit militärischen Ehren empfangen. In einer ersten Äußerung im neuen Amt verwies Pistorius auf die große Bedeutung der Bundeswehr in einer Zeit, "in der Krieg ist in Europa". Zwar sei Deutschland "nicht selbst Kriegspartei", aber dennoch "von diesem Krieg betroffen".
"Die Streitkräfte sind in den vergangenen Jahrzehnten oft vernachlässigt worden. (...) Es geht darum, die Bundeswehr jetzt und schnell stark zu machen, es geht um Abschreckung, Wirksamkeit und Einsatzfähigkeit" Boris Pistorius.
Sicherheit habe seit dem russischen Angriff auf die Ukraine eine andere Bedeutung als zuvor, sagte der SPD-Politiker. Zwar sei die aktuelle Bundesregierung dabei, die Aufrüstungsmängel beheben, auch seine Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) habe hier "viele Dinge angeschoben", aber "der größte Teil der Zeitenwende liegt noch vor uns".
Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius
Zwei Stunden nach der Ernennung bereits der erste Staatsgast
Danach würde sich der frischgebackene Minister üblicherweise wohl zum Aktenstudium und zu internen Beratungen mit seinen Mitarbeitern zurückziehen, doch diese Einarbeitungsfrist bleibt Pistorius in der Ukraine-Krise verwehrt. Er übernehme das Ministeramt in einer Bedrohungs- und Gefährdungslage, die Deutschland lange nicht mehr gekannt habe, hatte der Bundespräsident festgestellt – nun müsse er "direkt loslegen". Bereits heute empfing er seinen ersten ausländischen Gast: US-Verteidigungsminister Lloyd Austin.
Austin: Deutschland ein "wichtiger Verbündeter"
Die USA seien Deutschlands wichtigster Verbündeter, betonte Pistorius. "Putins entsetzlicher Angriffskrieg auf die Ukraine hat der Nato die Chance gegeben, sich als das zu erweisen, was sie ist, nämlich ein tragendes, ein stabiles Bündnis, das sich reaktions- und handlungsfähig gezeigt hat und weiter zeigen wird."
Dafür sei er sehr dankbar, sagte Pistorius. "Wie so oft in der Geschichte, aber gerade auch jetzt in diesen Zeiten, stehen die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika dabei Schulter an Schulter." Auch in Zukunft werde Deutschland gemeinsam mit seinen Partnern die Ukraine in ihrem Kampf für die Freiheit, territoriale Unabhängigkeit und Souveränität unterstützen.
Austin nannte Deutschland "einen der wichtigsten Verbündeten der USA". Er dankte der Bundesregierung für die Unterstützung der Ukraine und für die schnelle Verstärkung der Nato-Ostflanke. Er freue sich auf die künftige Zusammenarbeit mit Pistorius.
Auch hat Pistorius laut Verteidigungsministerium bereits mit seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu telefoniert. "Frankreich ist unser engster Verbündeter und ältester Freund in der Europäischen Union. Paris und Berlin arbeiten seit Jahrzehnten auch in der Sicherheitspolitik eng zusammen", sagte Pistorius. Deshalb sei es ihm besonders wichtig gewesen, möglichst schnell mit Lecornu ins Gespräch zu kommen.
Liefert Deutschland "Leoparden" für die Ukraine?
In den vergangenen Tagen ist der Druck auf Deutschland stark gewachsen, der Ukraine auch Kampfpanzer vom Typ Leopard zur Verfügung zu stellen. Kanzler Olaf Scholz ist nach übereinstimmenden Medienberichten nun dazu bereit – unter Bedingungen. Pistorius selbst sagte am Morgen, man werde die Ukraine weiter unterstützen - "auch mit Material aus der Bundeswehr".
"Deutsche Systeme bewähren sich in der Ukraine", sagte Pistorius mit Verweis auf bereits gelieferte Waffen. Er nannte dabei Panzerhaubitzen, den Flugabwehrpanzer Gepard und das Flugabwehrsystem Iris-T SLM. "Auch in Zukunft" werde Deutschland "mit unseren Partnern gemeinsam die Ukraine im Kampf für die Freiheit und die territoriale Unabhängigkeit und Souveränität unterstützen".
Zeitgleich zur Vereidigung diskutierte der Bundestag über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. "Die schwere Waffe schlechthin sind Panzer", betonte der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (CDU). Es sei jetzt die Zeit, dass Deutschland grünes Licht für die Lieferung von Kampfpanzern gebe. "Wir sind jetzt gefordert", sagte Wadephul.
Nächste Station: Ramstein
Am morgigen Freitag reit der neue Verteidigungsminister zu einem internationalen Treffen auf der US-Basis Ramstein in Rheinland-Pfalz. Die Nato-Staaten und weitere Länder wollen dort über eine Aufstockung der Militärhilfen für die Ukraine beraten.
Der neue Verteidigungsminister stehe unter enormen Zeitdruck, sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Er hat ja keine 100 Tage, er hat auch keine 100 Stunden, er hat eigentlich nur 24 Stunden", so Strack-Zimmermann im "Frühstart" von RTL/ntv.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags äußerte die Hoffnung, dass die Bundesregierung sich schnell für Kampfpanzer-Lieferungen aus deutschen Beständen ausspricht. Angesichts möglicher Lieferungen durch andere Staaten dürfe Deutschland nicht wieder zum "Spaltpilz Europas" werden, betonte die FDP-Verteidigungspolitikerin. Stattdessen müsse Deutschland "grünes Licht geben" und "bei der Debatte jetzt Führung übernehmen".
Mit Informationen von Reuters, dpa und AFP
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l) übergibt dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Ernennungsurkunde
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