Blumen und Kerzen liegen auf dem Bahnsteig im Bahnhof von Brokstedt
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Blumen und Kerzen liegen auf dem Bahnsteig im Bahnhof von Brokstedt

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Bluttat von Brokstedt: Verdächtiger in U-Haft

Nach dem Messerangriff in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein, bei dem zwei Menschen getötet wurden, ist der 33-jährige Tatverdächtige in Untersuchungshaft genommen worden. Viele Fragen sind in dem Fall noch offen, auch die nach dem Tatmotiv.

Einen Tag nach dem nach dem tödlichen Messerangriff am Bahnhof von Brokstedt in Schleswig-Holstein hat ein Haftrichter die Untersuchungshaft für den mutmaßlichen Täter, den 33-jährigen staatenlosen Palästinenser Ibrahim A., angeordnet. Die Begründung lautet auf Verdacht auf zweifachen heimtückischen Mord und vierfachen versuchten Totschlag. Das teilte ein Sprecher der für die Ermittlungen zuständigen Staatsanwaltschaft in Itzehoe mit.

Nach Angaben von Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) handelt es sich bei den Todesopfern um eine 17 Jahre alte Jugendliche und einen 19-jährigen Mann. Laut Polizei kannten sich die Opfer und stammten beide aus der Region.

Tatzeugen hielten den Angreifer fest

Der Tatverdächtige war vor der Ankunft eines Regionalzuges von Kiel nach Hamburg am Mittwoch im Bahnhof Brokstedt mit einem Messer auf Reisende in dem mit 120 Fahrgästen besetzten Zug losgegangen, dann wurde er von Tatzeugen überwältigt und festgehalten. Polizisten nahmen den mutmaßlichen Täter kurz darauf auf dem Bahnsteig in Brokstedt fest, die Polizei hatte zuvor mehrere Anrufe von Fahrgästen erhalten. Auf Benachrichtigung war der Zug gestoppt worden, bis die Einsatzkräfte eintrafen.

Motive weiterhin unklar

"Aufgrund des sehr dynamischen Tatverlaufs" sei " immer noch sehr viel unklar", sagte die Landesinnenministerin. Unbekannt bleibt weiter auch das Motiv des Tatverdächtigen. "Ergebnisse einer Vernehmung gibt es noch nicht, so dass wir über Motive nichts sagen können", so Sütterlin-Waak. Die Ministerin warnte vor "Vermutungen und Spekulationen", es gebe in dem Fall noch zu viele offene Fragen.

Ob Ibrahim A. als geistig verwirrt anzusehen ist, wie aus Sicherheitskreisen zunächst verlautete, ist offen. Für einen terroristischen Hintergrund gebe es aber auf jeden Fall "nicht die geringsten Hinweise", betonte der Leiter der Staatsanwaltschaft Itzehoe, Carsten Ohlrogge.

Tatverdächtiger kam 2014 nach Deutschland

Der mutmaßliche Täter war den Ermittlungen zufolge 2014 nach Deutschland eingereist - aus welchem Land, ist bisher unklar. 2015 stelle der Mann in Nordrhein-Westfalen einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aber 2016 ablehnte. Dem Mann sei dann 2017 subsidiärer Schutz gewährt worden. Dieser greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und einer Person im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht, erklärte Ministerin Sütterlin-Waak. 2021 sei ein Verfahren auf Rücknahme des subsidiären Schutzes eingeleitet worden. Wie dieses ausging, blieb zunächst unklar.

Hausverbot im Flüchtlingsheim

Erst im Sommer 2021 kam der Tatverdächtige von Nordrhein-Westfalen nach Kiel und wurde in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht. Dort erhielt er aber noch im gleichen Jahr Hausverbot. "Er ist ab diesem Punkt in unserem Melderegister als unbekannt verzogen festgestellt", sagte der Kieler Stadrat Christian Zierau. Danach hatte noch die Beratungsstelle für Wohnungslose Kontakt mit ihm.

Zierau erklärte, der Tatverdächtige habe sich am Morgen der Tat noch bei einem dauerhaft eingerichteten Informationsstand der Stadt Kiel gemeldet. Dort habe er die Mitarbeitenden wegen eines Aufenthaltstitels angesprochen, sei aber an das Einwohnermeldeamt verwiesen worden, wo er nie auftauchte. "Die Mitarbeitenden haben mir keine Auffälligkeiten gemeldet", sagte Zierau.

Vor wenigen Tagen aus Gefängnis entlassen

Seit 2015 war der Mann wegen diverser Delikte wiederholt straffällig geworden, er ist inzwischen dreifach vorbestraft. Bis vor kurzem saß er noch in einer Hamburger Justizvollzugsanstalt ein, Grund war ein Körperverletzungsdelikt: Der Palästinenser hatte im Januar 2022 vor einer Essensausgabe einen anderen Mann niedergestochen. Seine Verurteilung wegen der Tat zu einem Jahr Gefängnis war noch nicht rechtskräftig, da der Mann aber schon seit einem Jahr einsaß, entschied ein Gericht vor wenigen Tagen, ihn zu entlassen.

Auf die Frage, ob man die Tat hätte verhindern können, sagte Innenministerin Sütterlin-Waak, der Tatverdächtige habe "seine Strafe verbüßt" gehabt, insofern sei für die Behörden "nichts unbedingt sofort zu tun" gewesen.

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V.l.: Bundesinnenministerin Faeser, Ministerpräsident Günther, Landrat Claudius Teske und Landesministerin Sabine Sütterlin-Waack in Brokstedt

Gedenken am Tatort

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) gedachten am Bahnhof Brokstedt der Opfer des tödlichen Messerangriffs. Gemeinsam mit Landesinnenministerin Sabine Sütterlin-Waack und Brokstedts Bürgermeister Clemens Preine legten sie am Wartehäuschen auf dem Bahnsteig weiße Rosen nieder. Im Anschluss sprachen sie mit Polizisten, Feuerwehrleuten und Rettungssanitätern, die an dem Einsatz am Mittwoch beteiligt waren. Es sei ihr wichtig, "den Menschen danken zu können, die hier waren und so schnell geholfen haben", so Faeser.

Mit Informationen von dpa, AFP und epd

Bundesweit herrscht Entsetzen über die Messerattacke in einem Regionalzug bei Kiel mit zwei Toten.
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Bundesweit herrscht Entsetzen über die Messerattacke in einem Regionalzug bei Kiel mit zwei Toten.

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