Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), bei der Pressekonferenz.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Kay Nietfeld

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), bei der Pressekonferenz.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

BKA-Studie: Hohe Dunkelziffer bei Sexualdelikten und Cybercrime

In die herkömmliche Kriminalstatistik gehen Straftaten ein, die die Polizei bearbeitet hat. Der Rest bleibt im Dunkeln. Eine neue BKA-Studie zeigt, wo die Zahl dieser verborgenen Delikte besonders hoch ist.

Über dieses Thema berichtet: Nachrichten am .

Auf mehr als 200 Seiten beschreibt das Bundeskriminalamt, wie sich die Kriminalität in Deutschland zuletzt entwickelt hat. Grundlage ist eine Bürgerbefragung - Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht von der bisher größten Dunkelfeldstudie in Deutschland. Es geht um Straftaten, die nicht angezeigt werden und deshalb nicht in die herkömmliche Kriminalstatistik einfließen. "Wir bringen Licht ins Dunkelfeld", sagt BKA-Chef Holger Münch.

Schwerpunkt Online-Kriminalität

Mehr als 45.000 Interviews hat das Bundeskriminalamt ausgewertet, zusammen mit den Polizeibehörden der Bundesländer. Damit sind die Ergebnisse laut BKA repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

Aufhorchen lassen vor allem die Befunde im Bereich der Cyberkriminalität. Rund jeder siebte Befragte hat angegeben, im Internet Opfer einer Straftat geworden zu sein. Besonders häufig kommen Online-Betrug und Datenmissbrauch vor. Auch Computerviren und Angriffe aufs Online-Banking werden oft genannt. Das Gleiche gilt für Beleidigungen und Gewaltandrohungen im Netz. Besonders jüngere Menschen seien hiervon betroffen.

Cybercrime stellt Polizei vor Herausforderungen

Nicht einmal ein Fünftel der Online-Straftaten werden angezeigt. Die Dunkelziffer ist hier also besonders hoch. Ein Umstand, der die Ermittler nach eigenen Angaben vor große Herausforderungen im Kampf gegen solche Delikte stellt. Und der die Frage aufwirft, wie dieser Kriminalitätsbereich besser durchleuchtet werden kann.

Eine Möglichkeit dafür sieht das BKA im erneuerten Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Es verpflichtet Anbieter von Online-Netzwerken dazu, bestimmte Straftaten an eine Zentralstelle im Bundeskriminalamt zu melden.

Auch bei Sexualdelikten hohe Dunkelziffer

Noch größer ist das Dunkelfeld im Bereich der Sexualstraftaten. Dazu zählen Vergewaltigung, sexuelle Belästigung und das Zeigen von Geschlechtsteilen. Bei nur einem Prozent aller Fälle kommt es hier zur Anzeige. Das BKA führt das unter anderem darauf zurück, dass viele Opfer befürchteten, keine ausreichenden Beweise vorlegen zu können. Andere wollten solche Taten möglichst bald vergessen – wegen der hohen psychischen Belastung.

Sehr hohe Anzeigequote bei Autoklau

Anders sieht es bei Kfz-Diebstahl und Wohnungseinbruch aus. Auf diesem Gebiet wird laut BKA fast jede Tat angezeigt. Generell lässt sich aus der Studie schließen: Je schwerer ein Delikt in den Augen der Opfer wiegt und je aussichtsreicher ihnen eine Strafverfolgung erscheint, desto wahrscheinlicher ist eine Anzeige.

BKA-Studie: Sicherheitsgefühl insgesamt hoch

Ein weiterer Schwerpunkt der Erhebung ist die Frage, wie verbreitet die Furcht vor Kriminalität ist. "Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung bewegt sich insgesamt auf einem hohen Niveau", sagt Faeser. Die meisten Menschen fühlten sich in der eigenen Wohnung und im näheren Umfeld sicher.

Was das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum betrifft, zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Frauen fühlen sich nachts auf Straßen, Plätzen sowie in Bus und Bahn deutlich unsicherer als Männer. 58 Prozent der befragten Frauen halten sich nachts von bestimmten Orten fern, 52 Prozent meiden nachts öffentliche Verkehrsmittel.

Faeser für mehr Polizeipräsenz und Videoüberwachung

Eine Entwicklung, die Faeser Sorgen bereitet: "Dass sich viele Frauen nachts nicht frei bewegen, dass sie sich einschränken, weil sie sich bedroht fühlen, können wir so nicht hinnehmen." Deshalb fordert die Innenministerin mehr Personal in Verkehrsmitteln, beispielsweise bei der Bahn.

Außerdem spricht sie sich für mehr Polizeipräsenz und mehr Videoüberwachung an bestimmten Orten aus. Der Studie zufolge finden fast 40 Prozent der Befragten, dass im öffentlichen Raum zu wenige Polizeikräfte unterwegs sind.

Hohe Zufriedenheit mit Polizei

Die Arbeit der Polizei wird überwiegend positiv bewertet: Mehr als 90 Prozent der Befragten gaben an, dass die Einsatzkräfte bürgerfreundlich und professionell seien. Allerdings mahnt fast ein Viertel der Studienteilnehmer mehr Mitgefühl der Beamtinnen und Beamten an. In der Gruppe von Menschen mit Migrationsgeschichte ist dieser Anteil noch deutlich höher. Faeser nimmt das zum Anlass, mehr Diversität bei der Polizei zu fordern: "Sie sollte ein Spiegel unserer gesellschaftlichen Vielfalt sein."

Wie sich Dunkelfeld und Sicherheitsgefühl entwickeln, will das BKA in Zukunft regelmäßig ermitteln. Die nächste Befragung sei für 2024 geplant. Alle zwei Jahre solle es dann ein Update geben. BKA-Chef Münch verspricht: "Das Licht machen wir jetzt regelmäßig an!"

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!