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Italien und die Probleme in der Europäischen Union

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Brüssels besorgter Blick nach Rom: EU-Desaster in Italien

In Italien ist die Regierungsbildung zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega gescheitert, die eine euroskeptische Politik verfolgte und den Sparkurs des hochverschuldeten Landes beenden wollten. Das hat in der EU massive Sorgen ausgelöst.

"Geduld gegenüber Rom zeigen", lautete gestern der Appel mehrerer EU-Außenpolitiker in Brüssel. Schließlich habe Deutschland sechs Monate für die Neuauflage der GroKo gebraucht. Und Belgien schon einmal deutlich über 500 Tage, um eine Regierung zu bilden. 

Die Zeit drängt

Aber Italien ist eben nicht Belgien, sondern EU-Nettozahler und die drittgrößte Wirtschaft der Eurozone. Und die EU hat keine Zeit zu verlieren: Sie steht exakt einen Monat vor einem ihrer wichtigsten Gipfeltreffen in diesem Jahr.

Der Juni-Gipfel wird entscheidend sein, stellt EU-Kommissar Moscovoci klar. Entscheidend für die Frage, ob sich Umrisse einer einheitlichen EU-Asylgesetzgebung und Asylpraxis abzeichnen. Wichtig ist der Gipfel Ende Juni auch mit Blick auf den näher rückenden Brexit und die kommenden Haushaltsberatungen. Und vor allem in Sachen EU-Reform: In Tag- und Nachtarbeit feilen die Regierungen in Paris und Berlin an einem Reformruck für Europa.

Politik-Turbulenzen in Italien verunsichern

"Wir hoffen darauf, dass es bald zu einer pro-europäischen Regierung in Italien kommt", betonte Staatsminister Roth in Brüssel. Doch stärker als die Hoffnung auf ein pro-europäisches Regierungswunder in Italien ist in der EU-Kommission zur Zeit die Furcht, dass sich die Anti-EU-Stimmung in Italien im Fall von Neuwahlen noch deutlich verstärken könnte. Rechtspopulisten wie Marine Le Pen in Frankreich und der britische Europaparlamentarier Nigel Farage propagieren bereits die Verschwörungstheorie, die sogenannten Eliten in Berlin, Paris und Brüssel würden mit Hilfe des italienischen Staatspräsidenten den Willen des Volkes unterdrücken, um die Europa-und Eurogegner von der Macht fernzuhalten. 

Hochverschuldeter Staat

Ein Jahr vor der Europawahl ist das für die EU ein ausgesprochen gefährliches Narrativ. Wer immer in Zukunft die Regierung in Rom stellt, der Forderungskatalog des Juncker-Teams ist klar.

Eine Schuldenquote von über 130 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung ist aus Sicht der EU-Kommission untragbar. Staatsdefizit und Staatsverschuldung zu verkleinern fordert Kommissionsvize-Präsident Valdis Dombrovskis. Und auch der zumeist betont freundlich-optimistische Wirtschafts -und Währungskommissar Pierre Moscovici wird sehr deutlich, wenn es um Italiens Schulden geht.

EU-Kommissar Moscovici kennt nicht nur die Entwicklung des französischen Schuldenberges überaus genau. Als ehemaliger französischer Finanzminister weiß Moscovici, dass kein anderes Land so stark von den faulen Milliardenkrediten in Italiens Bankbilanzen betroffen ist wie Frankreich.

Allein die französische Großbank PNB Paribas beziffert ihr Italien-Risiko auf über 150 Milliarden Euro. Dass Frankreichs Präsident Macron die Europäisierung der Einlagensicherung möglichst noch in diesem Jahr durchsetzen will und bereits beim Juni-Gipfel die Weichen stellen möchte, ist also kein Zufall. Werden italienische Banken im schlimmsten Fall abgewickelt, müssten dann alle EU-Banken für Spareinlagen in Italien haften. 

Kein Defizitverfahren eingeleitet

Eine gewissen Vorsicht sei bei Italien angebracht, unterstrich EU-Währungskommissar Moscovici, als er in Brüssel die Frühjahrsprognose vorstellte. Angesichts der Rekordverschuldung, der faulen Millardenkredite bei den Banken, des langsamen Wirtschaftswachstums und einer Jugendarbeitslosigkeit, die sich in einigen Regionen auf bis zu sechzig Prozent beläuft. Aber Moscovici gibt sich sicher, dass Italien jene EU-Regeln respektiert, die es mit entwickelt hat.

Um die populistischen Anti-EU-Kräfte nicht noch zu stärken, hat die EU-Kommission trotz des italienischen Rekordschuldenberges kein Defizitverfahren eingeleitet. Darüber hinaus kann Brüssel nur abwarten. (Autor: Ralph Sina)