Bayern hat vom Bund das sofortige Ausrufen der Gas-Notfallstufe 3 gefordert. Vor allem müssten Gasgroßkraftwerke soweit wie möglich gegen Entschädigungszahlungen heruntergefahren werden, um schneller die Gasspeicher für den Winter auffüllen zu können, sagte der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) der "Augsburger Allgemeinen".
Aiwanger: Wichtig "sofort massiv Gas einzusparen"
"Wir verbrennen derzeit riesige Mengen an Erdgas zur Stromerzeugung", sagte Aiwanger unter Verweis auf das bayerische Großkraftwerk in Irsching. "Solange der Strom aus Gas noch lukrativ produziert werden kann, wird es auch gemacht." Wichtig sei aber jetzt, sofort massiv Gas einzusparen, denn momentan bewege sich beim Auffüllen der Speicher fast nichts mehr.
Aiwanger dringt auf Wiederinbetriebnahme von Gundremmingen
Außerdem dringt Aiwanger weiter auf die Wiederinbetriebnahme des bayerischen Atomkraftwerks Gundremmingen. Er forderte, auch Isar 2 voll am Netz zu lassen. "Das brächte ein massives Einsparpotenzial beim Gasverbrauch, um endlich unsere Gasspeicher für den Winter voll zu machen." Andernfalls drohe insbesondere im Süden eine besonders harte Krise, denn Bayern habe als industriestärkstes Bundesland den deutlich höchsten Gasverbrauch.
- Zum Artikel "AKW-Abschaltung: Unvermeidlich oder "völliger Unsinn"?"
Bundesregierung rechnet mit Gas-Notlage in einzelnen Bundesländern
Unterdessen wurde bekannt, dass die Bundesregierung laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung mit einer Notlage bei der Gasversorgung in einzelnen Bundesländern rechnet. Demnach habe Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) den Chefs der Staatskanzleien der Länder bereits am Donnerstag in einer Schaltkonferenz mitgeteilt, dass die Bundesregierung nach den Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 von einer erneuten Drosselung der Gaslieferungen durch Russland unter Anführung von Vorwänden ausgehe.
Doppelte bis dreifache Gaspreise befürchtet
Nur wenn Russland wieder mehr als 40 Prozent der vereinbarten Erdgas-Menge nach Deutschland liefern sollte, käme Deutschland ohne Not durch den Winter. Das betrachte die Regierung aber als unrealistisch. Die Regierung geht außerdem davon aus, dass Deutschland auch im darauffolgenden Winter 2023/24 noch von russischem Gas abhängig sein werde - und dass die Gaspreise um das Doppelte bis Dreifache ansteigen würden.
Industrieverband fordert Neu-Priorisierung der Gasverteilung
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet mit einem "langfristig andauernden Gasmangel", der auf Deutschand zukommen wird. Jetzt zähle "jede eingesparte Kilowattstunde Gas und Strom", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm der dpa. Russwurm plädiert daher für eine Neu-Priorisierung der Gasverteilung. "Für die harte neue Energie-Realität muss die Politik in Berlin und Brüssel eine neue Regelung schaffen. Diese hat alle Teile der Gesellschaft entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit in die Pflicht zu nehmen."
Dazu zählen für BDI-Präsident Russwurm auch private Haushalte. "Neben Unternehmen, Kommunen und Ländern müssen Privatverbraucherinnen und -verbraucher Teil der massiven Energiesparkampagne werden."
Privathaushalte bislang mit am höchsten priorisiert
Gemäß der derzeit geltenden EU-Verordnung und dem deutschen Notfallplan Gas sollen bestimmte Verbrauchergruppen möglichst bis zuletzt mit Gas versorgt werden. Zu diesen geschützten Verbrauchern gehören Privathaushalte, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Gaskraftwerke, die zugleich Haushalte mit Wärme versorgen.
Seit Juni hatte Gazprom die Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 in der Ostsee deutlich gedrosselt und dies mit der fehlenden Turbine von Siemens Energy begründet, die in Kanada gewartet wurde. Wegen der infolge des Ukraine-Kriegs erlassenen Sanktionen weigerte sich Kanada zunächst, die Turbine an Russland zurückzugeben - entschied sich dann aber doch dafür, das Aggregat stattdessen an Deutschland zu übergeben. Zum 21. Juli wird mit dem Ende der Wartungsarbeiten gerechnet.
Selenskyj verurteilt Auslieferung der Turbine an Russland
Die Ukraine ist strikt gegen eine Auslieferung der gewarteten Siemens Gas-Turbine an Russland. In einem Telefonat mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau kritisierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut die Ausnahme von den Sanktionen gegen Moskau. Er habe "betont, dass die Ukrainer die Entscheidung Kanadas bezüglich der Nord-Stream-Turbine niemals akzeptieren werden", sagt Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Die Übergabe an Deutschland verstoße gegen die Sanktionen gegen Russland und ermutige zu weiteren Verstößen.
Mit Material von dpa und afp
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