Dieselloks ziehen die Züge des Sylt Shuttles. Auch wer mit dem Zug nach Oberstdorf will, muss, egal ob Regionalzug oder Intercity, einen Dieselzug nehmen. Nun will die Bahn allein auf der Strecke nach Sylt jährlich 7.500 Tonnen Kohlendioxid einsparen. Möglich machen soll das Biokraftstoff aus Rest- und Abfallstoffen. Oberstdorf-Immenstadt und Erfurt-Gera sollen bis zum Jahr 2025 ebenfalls auf Biokraftstoff umgestellt werden. Die übrigen Fernverkehrszüge der Bahn fahren mit Elektroloks.
Umwelthilfe wirft Bahnchef Lutz Versagen vor
Doch von der Deutschen Umwelthilfe kommt kein Applaus für diese Maßnahme, die laut Bahn "ein weiteres Zeichen für den Klimaschutz" setzen soll. Via Twitter warf die DUH Bahnchef Richard Lutz vor, mit der Umstellung auf Biokraftstoffe "von seinem eigenen Versagen abzulenken". DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch stört sich zum einen daran, dass die betroffenen Strecken nicht schnell elektrifiziert werden, zum anderen wirft er der Bahn vor, mit Dieselzügen ohne Abgasreinigung und Partikelfilter wie sie etwa bei Pkw, Bussen und Lkw genutzt werden, die Luft zu verpesten. "Die Schadstoffe entstehen, egal, ob es ein fossiler Diesel ist oder ein sogenannter Biodiesel. Die Schadstoffe entstehen einfach durch die entsprechende Verbrennung im Motor", betont Resch. Die Schweizer Bundesbahn beispielsweise habe seit über zehn Jahren eine gute Ausstattung mit der Abgasreinigung. Die Deutsche Bahn dagegen wehre sich gegen entsprechende Nachrüstungen.
DUH setzt auf schnelle Elektrifizierung von Bahnstrecken
Auch unter Klimaschutzgesichtspunkten sei der Einsatz von Dieselloks eine Katastrophe, beklagt Resch. Mit einer Elektrifizierung der Strecken ließe sich "natürlich sehr viel CO2 einsparen", so der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Resch ist überzeugt, eine Elektrifizierung vieler Strecken wäre kurzfristig möglich. Er argumentiert, dass es nicht um den Neubau von Strecken gehe – sondern lediglich um das Aufstellen der Masten und unter Umständen um eine Modernisierung der Signaltechnik. "Das geht in wenigen Jahren", so Resch.
Pro Bahn kritisiert fehlendes Interesse an Elektrifizierung im Allgäu
Eine derart schnelle Elektrifizierung hält man beim Fahrgastverband Pro Bahn nicht für realistisch: Errol Yazgac von Pro Bahn in Schwaben verweist im Gespräch mit dem BR auf langwierige Planungsprozesse und Genehmigungsverfahren. Für möglich und für nötig hält aber auch er die Elektrifizierung der Strecke zwischen Immenstadt und Oberstdorf. Auch für die Strecke von Augsburg über Buchloe bis Kempten und weiter nach Immenstadt fordert Pro Bahn eine Oberleitung. Yazgacs Vorwurf: Es fehle das Interesse und man scheue den Aufwand, weil der Weiterbetrieb der Dieselzüge einfach billiger sei.
Güterverkehr und Fernreisende könnten profitieren
Folgen hat das für die Fahrgäste: Kommt es zwischen München und Buchloe zu einer Störung, muss etwa der Fernverkehr weiträumig umgeleitet werden. Weil die wesentlich einfachere Umleitung von München über Augsburg nach Buchloe mit elektrischen Zügen nicht möglich ist, mussten Züge jüngst über Augsburg, Ulm, Friedrichshafen und Lindau-Reutin geleitet werden, berichtet Errol Yazgac von Pro Bahn in Schwaben – mit entsprechenden Verspätungen für die Reisenden. Auch für den Güterverkehr wäre es wichtig, mit elektrischen Zügen von Augsburg über Buchloe ins Allgäu zu kommen, betont Yazgac. Entfallen würde dann außerdem der aufwendige Lokwechsel beim Intercity von Hamburg nach Oberstdorf: Wegen der fehlenden Oberleitungen bekommt der Zug in Augsburg eine Diesellok für die Fahrt ins Allgäu.
Bahn verspricht nur Kraftstoff aus biologischen Rest- und Abfallstoffen zu nutzen
Auch das Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg (ifeu) hält eine Elektrifizierung von Bahnstrecken dort, wo das möglich ist, für sinnvoller als Züge mit Biokraftstoffen zu betreiben. Die Reduzierung von Emissionen durch Biokraftstoffe hält Horst Fehrenbach, Autor einer Studie zu Biokraftstoffen, grundsätzlich für gut – wenn es sich um Biokraftstoff aus biologischen Rest- und Abfallstoffen handelt. Genau solchen Kraftstoff will die Bahn einsetzen. Auf diese Weise sollen keine Anbauflächen genutzt werden, "die in Konkurrenz mit der Nahrungs- und Futtermittelproduktion stehen könnten", teilte die Bahn mit. Derartige Kraftstoffe stehen aber nur begrenzt zur Verfügung. Das betonen DUH, Greenpeace und ifeu unisono. "Am Ende geht es darum, wer die begrenzten Kuchenstücke bekommt", formuliert Horst Fehrenbach vom ifeu das Problem. Fehrenbach kommt zu dem Ergebnis: "Zu rechtfertigen gegenüber anderen Nutzungen ist das nur, wenn für diese Strecken eine Elektrifizierung keine Option ist." Und auch Greenpeace kommt zu der Einschätzung: "Angesichts des nötigen Kapazitäts- und Streckenausbaus der deutschen Bahn ist eine durchgehende Elektrifizierung die nachhaltigste Lösung."
Hälfte des Bahnnetzes in Bayern ohne Oberleitungen
Nimmt man Nah- und Fernverkehr zusammen, gibt es in Bayern etwa 6.700 Kilometer Bahnstrecken. Elektrifiziert sind nach Angaben des Bayerischen Verkehrsministeriums derzeit 3.350 Kilometer – also die Hälfte des Netzes: Der Landtagsabgeordnete Sebastian Körber (FDP) richtete dazu jüngst eine Anfrage an das von Christian Bernreiter (CSU) geführte Ministerium. Aus der Antwort geht hervor, dass im Freistaat seit dem Jahr 2018 Bahnstrecken auf einer Länge von 115 Kilometern elektrifiziert wurden. Der größte Teil davon mit 105 Kilometern zwischen Geltendorf in Oberbayern und Lindau-Reutin in Schwaben. Der Abschnitt ist Teil der Verbindung München-Zürich.
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