Das Auswärtige Amt hat als Ausrichter des Treffens der Außenministerinnen und Außenminister der G7 im Tagungsort in Münster ein historisches Kreuz entfernen lassen. Das sei Teil einer größeren Umgestaltung des Saals gewesen, die vom Protokoll des Auswärtigen Amts mit der Stadt Münster besprochen worden sei, sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag in Berlin. Zunächst hatten Medien wie die "Westfälischen Nachrichten" und "Bild" darüber berichtet.
Zur Umgestaltung hätten auch anderes Mobiliar, eine andere Beleuchtung und ein Teppich gehört, hieß es weiter. Es habe dazu keine Entscheidung auf politischer Ebene gegeben. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sei mit der Frage nicht befasst gewesen.
Baerbock: Gut, wenn es nicht weggeräumt worden wäre
Baerbock bedauert die Entscheidung ihres Ministeriums, wie sie am Abend bei der Abschlusspressekonferenz der G7 in Münster mitteilte. Es sei ausschließlich eine organisatorische, keine politische Maßnahme gewesen. Sie selbst habe davon erst am Morgen erfahren. Auch wenn der Historische Friedenssaal im Rathaus als Konferenzraum umgebaut werden musste, so hätte das Kreuz dorthin gehört. "Es wäre gut gewesen, wenn es nicht weggeräumt worden wäre", so Baerbock.
Baerbock und ihre Amtskolleginnen und -kollegen der wirtschaftsstarken Demokratien hatten am Donnerstag und Freitag unter anderem im Friedenssaal des Historischen Rathauses getagt. Vor mehr als 370 Jahren wurde dort der Westfälische Frieden geschlossen, mit dem der Dreißigjährige Krieg endete.
Religiöse Hintergründe der G7-Teilnehmer als Anlass?
Den G7 gehören neben Deutschland Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien an. Deutschland hat bis Jahresende den Vorsitz und ist zurzeit zuständig für die Organisation von Konferenzen.
Das Kreuz steht normalerweise auf dem Vorsprung einer holzvertäfelten Wand. Den "Westfälischen Nachrichten" zufolge handelt es sich um das "Ratskreuz" aus dem 16. Jahrhundert. Auf Fotos der G7-Runde aus dem Raum ist aber im Hintergrund zu sehen, dass der Sockel leer ist und das Kruzifix fehlt.
Der Sprecher des Auswärtigen Amts sagte, eine Veränderung des Mobiliars sei bei solchen Treffen üblich. Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) sagte, das Kreuz sei auf Bitten des Auswärtigen Amtes für die Zeit des Treffens entfernt worden, da Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen am G7-Treffen teilnähmen.
Die Stadt habe alles unternommen, um einen reibungslosen Ablauf der Konferenz zu ermöglichen. "Ich meine aber, diese Entscheidung hätte so nicht getroffen werden dürfen, und ich bedaure sie. Mein Eindruck ist, dass auch die Außenministerin davon überrascht wurde", sagte er. Das Kreuz gehöre seit Jahrhunderten zum Friedenssaal und damit zur Geschichte und Kultur des Konferenzortes.
CDU-Politiker: Regierung ist "traditions- und geschichtsvergessen"
Die Entscheidung des Auswärtigen Amtes ruft derweil breite Kritik hervor. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), nannte im Fernsehsender "Welt", die Bundesregierung "traditions- und geschichtsvergessen". Wer Symbole des christlichen Glaubens aus einem Sitzungssaal räumen lasse, sei nicht weltoffen, sondern verbohrt.
Auch CSU-Chef Markus Söder äußerte sein Unverständnis. "Ist das die neue deutsche Außenpolitik? In keinem anderen Land der Welt würde sowas passieren..." schrieb der bayerische Ministerpräsident auf Twitter.
- Zum Artikel: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof begründet Kreuzerlass-Urteil
Bistum Münster: "Maßnahme ist nicht nachvollziehbar"
Die katholische Kirche kritisiert das Abhängen des Kreuzes ebenfalls. Diese Maßnahme auf Bitten des Außenministeriums sei "nicht nachvollziehbar", erklärte das Bistum Münster am Freitag. In der Einschätzung sei man sich mit Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) einig. Die Diözese will über das Katholische Büro in Berlin ihr Befremden über die Maßnahme zum Ausdruck bringen sowie um eine offizielle Begründung bitten.
Evangelische Kirche kritisiert Entfernung ebenfalls
Ebenso bezeichnete die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, die Entscheidung als unverständlich. Es sei "vollkommen unverständlich, ja am Rande einer Groteske", dass das Außenministerium das Kreuz für die Beratungen am Donnerstag und Freitag habe abhängen lassen, sagte Kurschus dem Evangelischen Pressedienst.
Christliche Konfessionen hätten Europa im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) verwüstet. "Der Glaubenskrieg wurde im Friedenssaal zu Münster unter diesem Kreuz beendet und Europa damit befriedet", betonte die Theologin, die auch Präses der westfälischen Landeskirche ist.
Kritik auch vom Zentralrat der Muslime in Deutschland
Unverständnis äußerte auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek. Mit dem Verweis auf den Westfälischen Frieden gehe auch die Beschäftigung mit dem Christentum und vor allem der Kirche und Aufklärung jener Zeit einher, schrieb er auf Twitter. "Eingedenk dessen kann die Konklusion dann nicht das Abhängen des Kreuzes sein, angeblich wegen Gefühle anderer."
Mit Material von dpa, epd., KNA und AFP
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