Abstandsregeln wie 10H in Bayern sollen notfalls außer Kraft gesetzt werden. Die Reaktionen im Freistaat sind gemischt.
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Abstandsregeln wie 10H in Bayern sollen notfalls außer Kraft gesetzt werden. Die Reaktionen im Freistaat sind gemischt.

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Ausbau der Windenergie: Bundesregierung will 10H-Regel aushebeln

Die Bundesregierung will Hürden für den Ausbau der Windenergie einreißen und dafür wenn nötig auch die 10H-Abstandsregeln aushebeln. Für die Windräder sollen nicht nur das Planungs- und Baurecht, sondern auch das Naturschutz-Gesetz geändert werden.

Zwei Prozent der Fläche Deutschlands allein für Windräder - doppelt soviel wie bisher: Das ist das Ziel der Bundesregierung. Um diese Vorgabe zu erreichen, sollen die Hürden für mehr Windenergie aus dem Weg geräumt werden. Dazu zählen auch die Abstands-Regelungen mancher Bundesländer wie etwa in Bayern.

Klare Vorgaben für jedes Bundesland

Um den Ausbau der Windkraft durchzusetzen, soll nicht nur Planungs- und Baurecht, sondern auch das Naturschutz-Gesetz geändert werden. Zwar können die Abstandsregeln für Windräder zu Wohngebäuden den Plänen zufolge zunächst in Kraft bleiben. Verfehlt ein Bundesland aber seine Flächenvorgaben, werden diese Regelungen hinfällig. Regierungskreisen zufolge soll das Vorhaben noch am Mittwoch auf den Weg gebracht, noch im Juni vom Kabinett gebilligt und in den Bundestag eingebracht werden, wie die Nachrichtenagentur Reuters zuerst berichtete.

Um die Flächenziele durchzusetzen, sind im Windflächenbedarfsgesetz (WindBG) klare Vorgaben für jedes Land enthalten: Bayern beispielsweise muss bis Ende 2026 1,1 Prozent ausweisen und bis 2032 dann 1,8 Prozent. Gleiches gilt für Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Länder mit mehr Wind wie etwa Mecklenburg-Vorpommern haben Vorgaben von 1,4 und 2,1 Prozent.

Bayern plant bereits 800 neue Windräder

In Bayern liegt der Flächenanteil für Windkraft derzeit bei 0,7 Prozent. Das soll sich aber bald ändern. Ende April hat die CSU-Landtagsfraktion beschlossen, zwar an der 10H-Regel festzuhalten - jedoch mit deutlichen Ausnahmen. So soll in sogenannten Vorranggebieten für Windkraft der Mindestabstand von Windrädern zu Wohnhäusern auf 1.000 Meter sinken. Bisher waren es mindestens 2.000 Meter. Das könnte vor allem für Ober- und Niederbayern Auswirkungen haben.

Laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sollen so bis zu 800 neue Windräder gebaut werden können und die Windkraft auf knapp zwei Prozent der Fläche ermöglichen.

Widerstand von Anwohnern und Naturschützern

Derzeit sind lediglich rund 0,8 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen. Tatsächlich genutzt werden 0,5 Prozent. Widerstand von Anwohnern und Naturschützern sowie lange Genehmigungsverfahren bremsen die Planungen. Ziel der Regierung ist es, die Leistung der Windräder an Land bis 2030 auf 115 Gigawatt zu verdoppeln. Mit dem Zwei-Prozent-Ziel sollen dann sogar 165 Gigawatt möglich sein. Bis 2030 sollen insgesamt 80 Prozent des Stromverbrauchs von erneuerbaren Energien gedeckt werden, bis 2035 nahezu 100 Prozent.

Die Bundesregierung begründet ihr Vorgehen mit einer dringend nötigen Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien mit dem Klimaschutz - aber auch mit dem Krieg in der Ukraine und der Sicherheitspolitik. "Es ist Teil eines umfassenden Regelungspaketes mit dem Ziel einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Energieversorgung, das den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse für den beschleunigten Ausbau aus dem Weg räumen soll", heißt es zur Begründung im "Wind an Land"-Gesetz.

Problem: Zu wenig verfügbare Fläche

Wesentliches Hemmnis für den Ausbau sei der Mangel an verfügbarer Fläche. Daher müssten zwei Prozent des Landes für Windräder ausgewiesen werden. "Dies erfordert mehr als eine Verdoppelung der ausgewiesenen Fläche in den kommenden Jahren."

Sind die Ziele in Gefahr verfehlt zu werden, fallen demnach auch die in den Ländern aufgestellten Abstands-Regeln: "Mindestabstandsregelungen sind nicht mehr anwendbar, wenn die Flächenbeitragswerte des Landes nach dem WindBG nicht erreicht werden", heißt es. Auch andere Beschränkungen greifen dann nicht mehr. "Festlegungen in Raumordnungsplänen oder Darstellungen in Flächennutzungsplänen können ihnen fortan nicht mehr entgegengehalten werden."

Auch Naturschutz-Gesetz soll geändert werden

Für die Ausbau-Ziele wird es auch Einschnitte im Naturschutz-Recht geben. "Der Betrieb von Windenergieanlagen liegt im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit", soll es dort nun heißen. Entsprechend werden die Flächen, die für Windräder infrage kommen, ausgeweitet. Für Greifvögel, die durch die Rotorblätter besonders gefährdet sind, gibt es detaillierte Regelungen je nach Art. Nisthilfen dürfen so von Vogelschützern im Umkreis von 1,5 Kilometer von Windenergie-Gebieten nicht mehr angebracht werden, damit sich solche Arten dort gar nicht erst ansiedeln.

Um die Vögel zu schützen, müssen die Windkraft-Betreiber in sensiblen Gebieten aber auch zeitweise die Windräder abschalten. Sie können aber auch Ausweichgebiete schaffen, um die Vögel aus der Region wegzulocken. Artenschutzprogramme, die von der Windbranche mitbezahlt werden müsse, sollen zudem dafür sorgen, dass zumindest landes- oder bundesweit die Vogel-Zahl einer Art nicht sinkt.

Bundesklima-Minister Robert Habeck (Grüne) hatte mit Reisen in verschiedene Bundesländer zunächst versucht, diese zu einem freiwilligen ausweiten der Windenergie-Flächen zu bewegen. Etwa in Bayern war er aber auf entschiedenen Widerstand gestoßen. In Thüringen versucht die CDU - notfalls auch mit Stimmen von AfD - strengere Abstandsregeln gegen die Rot-Rot-Grüne Minderheitsregierung durchzusetzen.

Mit Material von Reuters

Ein Windrad in Bayern
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Ein Windrad in Bayern

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