Am Mittwochabend ist ein Flugzeug mit 138 Menschen aus Afghanistan in Leipzig/Halle gelandet. Die geschäftsführende Bundesregierung hat den Flieger gechartert, er startete in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad.
In diesem Jahr hat es bereits drei ähnliche Flüge mit insgesamt 461 Menschen aus Afghanistan gegeben. Sie kamen am 25. Februar und 5. März in Berlin an, am 27. März landete ein weiteres Flugzeug in Hannover. An den Aufnahmeflügen gibt es vor allem aus der Union heftige Kritik. Die Union macht dabei vor allem Sicherheitsbedenken geltend.
Wer sind diese Menschen?
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind 45 Jugendliche, 76 Frauen und 62 Männer in Deutschland angekommen. Laut Auswärtigem Amt haben die Passagiere aus verschiedenen Programmen eine rechtsverbindliche Aufnahmezusage. Auch ein Sprecher des Innenministeriums betonte: "Es liegen in diesen Fällen konkrete, bereits in der Vergangenheit gegebene Aufnahmezusagen Deutschlands vor." Neue Zusagen würden nicht erteilt.
Aufgenommen werden unter anderem Menschen, die deutsche Soldaten in Afghanistan als Ortskräfte unterstützt haben. Auch ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ministerien und deutschen Organisationen wie dem Goethe-Institut und der Deutschen Welle stehen auf der Liste. Genau wie Menschen, die sich in den Bereichen Justiz, Politik, Medien, Kultur, Bildung, Sport oder Wissenschaft engagiert haben oder wegen ihres Einsatzes für Demokratie und Freiheitsrechte Verfolgung durch die Taliban befürchten müssen – zum Beispiel Menschenrechtsaktivistinnen, Anwälte oder Journalistinnen.
Wie begründet die geschäftsführende Regierung Aufnahmeflüge?
Als die Taliban in Afghanistan im Sommer 2021 die Macht übernommen haben, startete Deutschland ein Bundesaufnahmeprogramm, um besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen.
Laut einem Sprecher des Auswärtigen Amtes sind die Flüge also "keine Ad-Hoc-Aktion". Sie funktionierten nach klaren Kriterien in enger Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden. Und: "Diese Menschen sind auf Herz und Nieren geprüft." Über die Zukunft der Aufnahmeprogramme werde in Kürze die neue Bundesregierung entscheiden. Im Moment würden aber noch Fälle abgearbeitet, für die es eine Aufnahmezusage gebe.
Dass vor dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung zurzeit so viele Flüge durchgeführt werden, begründet der Grünen-Bundestagsabgeordnete Andreas Audretsch damit, dass deutsche Behörden in den vergangenen Jahren intensive Sicherheitsüberprüfungen vorgenommen habe. Jetzt sei man so weit, dass es sicherheitspolitisch keine Bedenken gebe.
Wie viele Menschen sollen noch nach Deutschland kommen?
Laut dem sächsischen Innenministerium sind für den 23. und 29. April weitere Flüge nach Deutschland mit Afghaninnen und Afghanen geplant. Die Passagiere kamen und kommen zunächst ins Grenzdurchgangslager Friedland und werden dann auf die Bundesländer verteilt.
Insgesamt warten rund 2.600 besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan nach Angaben des Auswärtigen Amts auf ihre Aufnahme in Deutschland. Die meisten in Pakistan, weil Deutschland in Afghanistan keine Botschaft unterhält. In der Regel warten sie dort mehrere Monate auf ihre Sicherheitsüberprüfung sowie ein Visum für Deutschland. Inzwischen hat Pakistan begonnen, afghanische Geflüchteten abzuschieben, auch wenn sie auf eine Ausreise in westliche Länder warten.
Wie viele Personen werden im Vergleich zu den letzten Jahren aufgenommen?
Das 2021 gestartete Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan sah vor, dass jeden Monat höchstens 1.000 Menschen kommen sollen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts kamen allerdings deutlich weniger, insgesamt rund 1.400.
Neben dem Bundesaufnahmeprogramm können Menschen auch einen Antrag auf Asyl in Deutschland stellen. Stand März haben das nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) [externer Link] mehr als 3.700 Afghaninnen und Afghanen getan. Damit ist Afghanistan nach Syrien das Land mit den meisten Asylgesuchen bei uns. Insgesamt beantragten bis Ende März 41.100 Menschen verschiedener Nationen Asyl. 2024 waren es insgesamt fast 251.000 Menschen.
Wie blickt die designierte Regierung auf Aufnahmeflüge?
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: "Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme so weit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen." Der CDU-Innenexperte Alexander Throm warf der geschäftsführenden Außenministerin Annalena Baerbock vor, sie wolle Fakten schaffen, bevor die neue Bundesregierung im Amt sei.
Die ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas von der SPD schloss nicht aus, dass Deutschland weitere Menschen aus Afghanistan aufnimmt. Sie verwies im ZDF auf rechtliche Fragen und auch mögliche Absprachen mit Bündnispartnern. Auf Kritik aus der Union sagte Bas, sie wäre vorsichtig zu sagen, dass künftig "gar nichts mehr stattfindet".
Mit Informationen von afp, dpa und epd
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