Mitglieder des CDU-Präsidiums, die am Abend wortlos an den Journalisten vor der Parteizentrale in Berlin vorbeihuschen. Unter ihnen der Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der parteiinterne Merkel-Kritiker und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie Daniel Günther, Ministerpräsident aus Schleswig-Holstein, einer der stets loyalen Verteidiger von Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Würde man diese Wortlosigkeit als Zeichen werten, dann wäre es wohl ein Zeichen der angespannten Lage. Denn noch immer zeichnet sich keine Lösung ab im Streit mit der Schwesterpartei aus Bayern.
Bouffier: Europa hat sich bewegt wie noch nie
Und dann erbarmt sich doch noch einer: Volker Bouffier, der stellvertretende CDU-Vorsitzende und Ministerpräsident aus Hessen. stärkt Merkel den Rücken, die aus seiner Sicht viel auf dem EU-Gipfel in Brüssel erreicht hat. Europa habe sich bewegt wie noch nie. Bouffier zufolge wäre es "höchst unklug", jetzt unabgestimmt nationale Maßnahmen anzuordnen - also Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze, die Bundesinnenminister Horst Seehofer in Erwägung zieht.
"Entscheidend ist, dass wir besonnen bleiben, dass die Union beieinander bleibt. Und das ist die Grundlage für eine stabile Bundesregierung. Und ohne Bundesregierung kann ich stabile Interessen nicht vertreten. Und ich denke und hoffe, dass das alle so sehen." Volker Bouffier, stellvertretender CDU-Vorsitzender
Wirkungsgleich oder nicht wirkungsgleich?
Und dann sagt der stellvertretende CDU-Chef noch etwas: Es könne nun "nicht im Ernst darum gehen, ob etwas mehr oder weniger wirkungsgleich" sei. Doch da spricht Bouffier die entscheidende Frage an. Am Ende wird viel davon abhängen, ob Merkel und Seehofer die Ergebnisse, die die Kanzlerin aus Brüssel mitgebracht hat, als wirkungsgleich mit dem Ansinnen des Bundesinnenministers bewerten, bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen. Anders als Seehofer gibt sich die CDU-Chefin im ZDF-Sommerinterview überzeugt, dass sie genug geliefert hat, um den Streit mit der Schwesterpartei wieder zu befrieden.
"Ich gebe meine Meinung wieder und sage, ja, in der Summe all dessen, was wir beschlossen haben, ist das wirkungsgleich. Das ist meine persönliche Auffassung. Die CSU muss das natürlich für sich entscheiden." Angela Merkel, CDU, Bundeskanzlerin
Merkel versucht, Streit mit CSU zu deeskalieren
Um eine endgültige Eskalation in der Auseinandersetzung mit der CSU abzuwenden, hatte Merkel nach dem EU-Gipfel weitgehende Vorschläge gemacht: In einem gestern öffentlich gewordenen Schreiben an die Partei- und Fraktionschefs der Koalitionspartner SPD und CSU hatte sie eine Reihe von Maßnahmen für einen schärferen Kurs aufgeführt - etwa bei Asylbewerbern, die schon in einem anderen EU-Land registriert sind. Diese sollen in besonderen Einrichtungen aufgenommen werden, in denen ein beschleunigtes Asylverfahren stattfindet.
Außerdem soll es verstärkt Schleierfahndungen an der Grenze geben, um bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge in die besonderen Aufnahmeeinrichtungen zu bringen. In ihrem Brief listet die Kanzlerin zudem 14 Staaten auf. Von diesen Ländern gebe es "Zusagen auf politischer Ebene", Verwaltungsabkommen zu schließen, um bereits registrierte Flüchtlinge im Rahmen der Dublin-Verordnung schneller von Deutschland in diese Länder zurückzubringen. Ungarn, Tschechien und Polen dementierten eine solche Übereinkunft allerdings schon wieder.
Bruch zwischen CDU und CSU noch nicht abgewendet
Im ZDF-Sommerinterview sagte Merkel, sie wolle, dass CDU und CSU weiter zusammenarbeiten. Sie wollte sich aber nicht festlegen, ob die Differenzen mit den Christsozialen tatsächlich heute gelöst werden können. Auch die Frage, ob sie Seehofer feuern würde, sollte er trotz der Beschlüsse des EU-Gipfels in Brüssel Zurückweisungen an der Grenze anordnen, ließ sie unbeantwortet. Noch immer sind die Fragen, die für den Fortbestand der Union eine entscheidende Rolle spielen, also noch nicht geklärt.