Migranten in einer Unterkunft in Friedrichshafen
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Asylpolitik: Die Rufe nach mehr Kontrolle werden lauter

Vor dem Flüchtlingsgipfel bei Kanzler Scholz kommende Woche nimmt die Diskussion um die Asylpolitik weiter Fahrt auf. Bei SPD und FDP wächst die Offenheit für Verschärfungen, während das Vertrauen der Bürger auf eine Lösung durch die Politik sinkt.

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Im Vorfeld des Bund-Länder-Treffens zur Flüchtlingspolitik im Kanzleramt am kommenden Mittwoch spitzt sich angesichts steigender Asylbewerberzahlen und der Doppelbelastung der Kommunen durch Flüchtlinge aus der Ukraine die Diskussion zu. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner beziehen dabei Stellung zugunsten einer verschärften Migrationspolitik der EU.

Faeser verspricht Überprüfung an EU-Außengrenzen

Zu dem Treffen bei Kanzler Scholz, bei dem es vor allem um die Finanzierung der Flüchtlingskosten gehen soll, äußerte sich Faeser bislang nicht konkret, sie räumte lediglich ein, dass die aktuelle Flüchtlingssituation den Gemeinden "sehr viel" abverlange.

Eine Entlastung der Kommunen soll nach Faesers Vorstellung gelingen, indem die Migration "viel stärker" gesteuert und geordnet werde, als das bislang der Fall ist. "Wir werden für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen sorgen", sagte die Ministerin nun dem "Handelsblatt". Dass sich die EU-Staaten bereits auf die dafür notwendige Screening-Verordnung verständigten hätten, sei "ein wichtiger Durchbruch" gewesen.

"Jetzt verhandeln wir über Verfahren an den EU-Außengrenzen, um dort binnen kurzer Fristen über den Schutz von Menschen mit geringer Aussicht auf Asyl in der EU zu entscheiden", sagte Faeser. "Dann können abgelehnte Asylbewerber schnell bereits von den EU-Außengrenzen aus zurückgeführt werden." Die SPD-Politikerin sagte außerdem, sie halte verstärkte Grenzkontrollen für "notwendig", weil der Schutz der EU-Außengrenzen noch "nicht hinreichend" funktioniere.

FDP-Chef Lindner denkt an einen Grenzzaun

FDP-Chef Christian Lindner sagte in einer Talkrunde von RTL/ntv, er glaube, "dass, um Kontrolle herzustellen, auch der physische Schutz der Außengrenze in Betracht gezogen werden" müsse - etwa durch einen Grenzzaun. Dafür trete er ein, "wenn zugleich die Möglichkeit humanitärer und qualifizierter Einwanderung rechtlich erleichtert wird". Faeser hatte im März bereits gesagt, dass zur europäischen Asylpolitik "zu einem Teil" auch "hohe Zäune und Mauern" an den Außengrenzen gehörten.

Ramelow will viele Asylbewerber pauschal anerkennen

Die Linke hingegen wandte sich zuletzt gegen derartige Pläne und setzt ganz andere Akzente. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sprach sich gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" für eine pauschale Anerkennung aller nach 2014 angekommenen Flüchtlinge aus, wenn sie mindestens drei Jahre in Deutschland gelebt haben, ohne auffällig zu werden.

Auf diese Weise könne das Asylsystem entlastet werden, so Ramelow: "Dann könnten wir uns die ganze Bürokratie und die Abschiebedebatten sparen. Dann müssten wir auch keine Arbeitskräfte mehr anwerben“, erklärte er. Der Linken-Politiker betonte zudem, dass der Bund den Ländern und Kommunen helfen müsse, die finanziellen Lasten zu schultern, die sich aus dem Flüchtlingszuzug ergeben.

Will Asylbewerber unter Bedingungen pauschal anerkennen: Ministerpräsident Bodo Ramelow
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Will Asylbewerber unter Bedingungen pauschal anerkennen: Ministerpräsident Bodo Ramelow

Zahl der Asylanträge steigt - Ukraine-Flüchtlinge kommen hinzu

Im vergangenen Jahr gab es nach einem Rückgang in den Corona-Jahren wieder einen Anstieg der Anträge im regulären Asylsystem. Knapp 218.000 Erstanträge wurden gestellt, 47 Prozent mehr als 2021. Hauptherkunftsländer sind nach wie vor Syrien und Afghanistan. Auch in den ersten Monaten dieses Jahres ist die Zahl der Asylanträge weiter gestiegen.

Hinzu kommt die hohe Zahl der Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine geflohen sind. Mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine wurden registriert, überwiegend Frauen und Kinder.

Die Aufnahmebereitschaft sinkt offenbar

Vor diesem Hintergrund nimmt die Aufnahmebereitschaft für Geflüchtete offenbar ab. Laut einer repräsentativen Umfrage für den ARD-Deutschlandtrend in dieser Woche will eine knappe Mehrheit der Deutschen von 52 Prozent lieber weniger Flüchtlinge aufnehmen, zu Jahresbeginn 2020 hatten sich dafür nur 40 Prozent ausgesprochen. Damals war die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge noch niedriger. 33 Prozent sagen jetzt, Deutschland solle etwa so viele Flüchtlinge aufnehmen wie derzeit (2020: 42 Prozent). Nur 8 Prozent fanden, Deutschland sollte mehr Flüchtlinge aufnehmen (2020: 11 Prozent).

Eine Mehrheit ist laut der Umfrage der Meinung, dass Deutschland durch die Zuwanderung allgemein eher Nachteile habe: 54 Prozent sagten das - im Vergleich zu 50 Prozent im Januar 2017. Jeder dritte Befragte meinte dagegen, Deutschland habe durch Zuwanderung eher Vorteile. 13 Prozent antworteten auf diese Frage mit "weiß nicht" oder machten keine Angabe.

Große Mehrheit für Kontrollen an EU-Außengrenze

Eine große Mehrheit der Deutschen unterstützt laut ARD-Deutschlandtrend den Vorschlag, Asylverfahren bereits an den Außengrenzen der EU zu führen. Dies befürworteten zuletzt 79 Prozent der Befragten, lediglich 11 Prozent sprachen sich dagegen aus.

Geflüchtete sollen demnach bereits an den EU-Außengrenzen registriert, erfasst und identifiziert werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte angekündigt, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass Geflüchtete bereits an den EU-Außengrenzen registriert, erfasst und identifiziert werden - auch das soll Thema des Gipfeltreffens im Kanzleramt sein.

Das Vertrauen in die Kompetenz der Politik sinkt

Das Vertrauen in die im Bundestag vertretenen Parteien, eine gute Flüchtlings- und Einwanderungspolitik zu betreiben, geht jedoch zurück. Jeder Fünfte (21 Prozent) traut das noch am ehesten der Union zu. 16 Prozent sehen diese Kompetenz am ehesten bei der SPD. Die AfD nannten 12 Prozent, die Grünen 6 Prozent, Linke und FDP je 4 Prozent. 35 Prozent sagten, eine gute Flüchtlings- und Einwanderungspolitik könnten sie bei keiner der Parteien erkennen. Dieser Anteil lag damit um 19 Prozentpunkte höher als kurz vor der Bundestagswahl 2021 mit16 Prozent.

Im Informationen von DPA, KNA und EPD

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