Polizistinnen und Polizisten schließen den Bereich eines Schussangriffs, bei dem zwei Israelis einen Tag nach dem tödlichen Angriff auf eine Synagoge im Stadtteil Silwan erschossen und verletzt wurden.
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Polizistinnen und Polizisten schließen den Bereich eines Angriffs, bei dem zwei Israelis erschossen und verletzt wurden.

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Anschläge in Israel: Minister will "Waffen auf den Straßen"

Nach Terroranschlägen mit Toten und Verletzten hat Israel eine Reihe von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Angehörige von Attentätern, die selbst Terror unterstützen, soll es künftig hart treffen.

Israels Sicherheitskabinett hat nach den beiden Terrorangriffen mit sieben Toten und fünf Verletzten in Ost-Jerusalem neue Maßnahmen zur Terror-Bekämpfung beschlossen. Unter anderem soll die Erteilung von Waffenscheinen beschleunigt und ausgeweitet werden, "um Tausenden von zusätzlichen Bürgern das Tragen von Waffen zu ermöglichen", heißt es in einer am Sonntagmorgen veröffentlichten Erklärung des israelischen Sicherheitskabinetts.

Ferner sollen Familien von Terroristen, die den Terrorismus unterstützen, die Ansprüche auf Sozialversicherung sowie weitere Leistungen entzogen werden. An einer Regierungssitzung am Sonntag solle zudem eine Gesetzgebung diskutiert werden, die jenen Familien die israelischen Identitätskarten entziehen würde.

Minister fordert Todesstrafe für mordende Palästinenser

"Ich möchte Waffen auf den Straßen. Ich möchte, dass israelische Bürger in der Lage sind, sich zu verteidigen", sagte der rechtsextreme Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben Gvir. Er habe in seinem Ministerium bereits alles auf den Weg gebracht. Dann meinte er: "Wir brauchen aber auch die Hilfe des Finanzministeriums. Wir müssen noch mehr Personal in der Abteilung für Waffenlizenzen bekommen. Es muss möglich sein, allen, die Waffen wollen, auch Waffen zu geben." Ben Gvir ging sogar noch einen Schritt weiter. Er forderte die Todesstrafe gegen Palästinenser, die Israelis ermorden.

Kritik kam vom früheren Ministerpräsidenten Jair Lapid, der Ben Gvir Populismus vorwarf: "Das ist gefährliches Gerede. Sie sind jetzt nicht mehr ein Twitter-Held oder Minister für Pressekonferenzen. Sie sind jetzt der Minister für die nationale Sicherheit. Es ist an der Zeit, dass diese Koalition verantwortlich handelt."

Netanjahu: "Streben keine Eskalation an, sind aber vorbereitet"

Das Sicherheitskabinett kündigte im Anschluss an seine Sitzung von Samstagnacht zudem an, das Haus des Attentäters von Jerusalem umgehend zu versiegeln, bevor es abgerissen werde. Die Polizei veröffentlichte Aufnahmen davon, wie Ingenieure des Militärs Metallplatten an den Fenstern des Hauses anbrachten.

Indes wurden die Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land massiv erhöht. Israels Polizeichef rief für Einsatzkräfte die höchste Alarmbereitschaft aus. Ebenso wurden die Truppen im Westjordanland entlang der Sperranlagen, die Israel und das Westjordanland trennen, weiter verstärkt.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu steht einen Monat nach seinem Amtsantritt vor einer schwierigen Situation. Doch er vertraut den militärischen Fähigkeiten des Staates: "Wir streben zwar keine Eskalation an, sind aber auf jedes Szenario vorbereitet." Netanjahu appellierte an die Bürger, das Gesetz nicht selbst in die Hand zu nehmen. "Wir befinden uns nicht in den Tagen des Untergrunds. Wir haben einen souveränen Staat mit hervorragenden Militär- und Sicherheitskräften", so der Ministerpräsident.

Jüdische Siedlung in Ost-Jerusalem
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Jüdische Siedlung in Ost-Jerusalem

Weiteres Attentat verhindert

Am Freitagabend hatte ein Attentäter auf Besucher einer Synagoge geschossen und sieben Menschen getötet sowie drei weitere verletzt. Am Samstag griff außerdem ein gerade mal 13 Jahre alter Junge zwei Männer in einer israelischen Siedlung in Ost-Jerusalem an. Der Palästinenser verletzte Vater und Sohn dabei schwer. Bewaffnete Passanten schossen schließlich auf den Jungen, der anschließend medizinisch versorgt wurde.

Bei zwei Vorfällen im Westjordanland versuchten Bewaffnete am Samstagabend, weitere Angriffe auf Israelis zu verüben. In der Siedlung Kedumim westlich der Stadt Nablus verhinderten nach Angaben der Armee Wachleute ein Attentat. Sie hätten den "Terroristen" entdeckt und "neutralisiert". Unklar war zunächst, ob der Angreifer tot ist. Ein weiterer Mann gab laut israelischem Militär in einem Restaurant in der Nähe der Stadt Jericho einen Schuss ab und flüchtete vom Tatort. Medien berichteten, er habe Probleme mit seiner Waffe gehabt. Das verhinderte womöglich weitere Schüsse - und Opfer.

Israels Präsident: "Mein Herz bricht"

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

"Mein Herz bricht bei der Nachricht von den schrecklichen Terroranschlägen am Schabbat in Jerusalem", sagte Israels Präsident Izchak Herzog. Neben westlichen Staaten verurteilten auch mehrere arabische Länder die Angriffe. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich schwer betroffen. "Die Nachrichten über die schrecklichen Attentate in Jerusalem erschüttern mich zutiefst", erklärte er auf Twitter. "Es hat Tote und Verletzte im Herzen Israels gegeben". Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückte dem israelischen Staatspräsidenten Jitzchak Herzog per Telefon seine Anteilnahme aus. "Meine Gedanken sind bei den Familien der Opfer und allen Trauernden in Israel“, sagte Steinmeier.

Proteste gegen Regierung

Saudi-Arabien, das mit Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhält, teilte mit, "jegliche Angriffe auf Zivilisten" abzulehnen.

Die palästinensische Führung ließ in einer Erklärung hingegen verlauten, Israel sei "voll verantwortlich für die gefährliche Eskalation". In diesem Jahr seien bereits 31 Palästinenser getötet worden. Die Menschen, darunter mehrere Jugendliche, starben im Zusammenhang mit Militäreinsätzen und eigenen Anschlägen.

Erst am Donnerstag waren bei einer Razzia israelischer Soldaten im Westjordanland neun Menschen getötet worden, darunter Mitglieder der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad.

Trotz der Terrorangriffe protestierten am Samstagabend wieder Zehntausende gegen die neue ultrarechte Regierung im Land. Ihnen geht es vor allem um geplante Reformen im Justizsystem, in denen einige Beobachter das Ende der israelischen Demokratie sehen. Zum Gedenken an die Terror-Opfer zündeten Demonstranten in Tel Aviv und anderen Städten Kerzen an. Sie hielten außerdem eine Schweigeminute für die Getöteten.

Mit Informationen von AP, dpa und KNA

Zwei Anschläge innerhalb von 24 Stunden, sieben Tote, zwei Schwerverletzte. Die Lage in Israel ist so explosiv wie lange nicht.
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Zwei Anschläge innerhalb von 24 Stunden, sieben Tote, zwei Schwerverletzte. Die Lage in Israel ist so explosiv wie lange nicht.

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