Mehr als 1.140 Arbeiten - gefertigt neben Bronze auch aus Elfenbein sowie anderen Materialen: Lange Zeit gehörten die sogenannten Benin-Bronzen aus dem ehemaligen Königreich Benin, das heute Teil des westafrikanischen Landes Nigeria ist, zu den Beständen mehrerer deutscher Museen. Britische Kolonialräuber hatten sie Ende des 19. Jahrhunderts erbeutet und nach Deutschland verkauft. Jetzt sind die Kunstwerke wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.
Baerbock: Bronzen sind "Stück von Identität"
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (beide B'90/Grüne) haben in der nigerianischen Hauptstadt Abuja nun offiziell 20 der wertvollen Objekten ausgehändigt. Die Rückgabe zeige die "Bereitschaft, das eigene Handeln kritisch zu bewerten" mit einem offenen Ohr für die Sorgen derjenigen, die Opfer kolonialer Grausamkeiten gewesen seien, sagte Baerbock während der Zeremonie. Dies sei besonders wichtig für die Menschen in Nigeria, "weil es nicht nur Kunststücke sind, nicht nur kulturelles Erbe, sondern auch ein Stück von Identität". Man habe die Bitte Nigerias, sie zurückzugeben, lange Zeit ignoriert.
Die teils Jahrhunderte alten Bronzen stammen ursprünglich aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin. Nach dessen Eroberung durch Großbritannien im Jahr 1897 wurden sie nach Deutschland versteigert und waren bislang in den Sammlungen des Lindemuseums in Stuttgart, des Berliner Humboldt-Forums, des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums, des Hamburger Museums für Kulturen und Künste der Welt sowie der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsens zu finden.
"Es war falsch, sie zu nehmen und es war falsch, sie zu behalten", betonte Baerbock. "Es wäre so, als würde man in Deutschland nicht die Gutenberg-Bibel oder die Schriften des Reformators Martin Luther bestaunen, die Skulptur von Käthe Kollwitz in Berlin oder Goethes Schreibtisch in Weimar nicht besichtigen können.
Deutschland unterstützt Bau einer Ausstellungshalle in Nigeria
Die Ministerin würdigte dabei auch die Rolle der Museumsträger. "Sie haben die Übertragung des Eigentums an den Bronzen ermöglicht und die bahnbrechenden Verträge mit Nigeria geschlossen." Dabei seien auch Abkommen zu Leihgaben geschlossen worden, um einige der Kunstschätze weiter in Deutschland zeigen zu können. "Das Besondere an diesem Prozess war für uns das Vertrauen unserer nigerianischen Partner, die unsere Werte und unseren Glauben an Respekt und offenen Dialog teilen", sagte Baerbock. Kunst solle zugänglich sein, deshalb beteilige sich Deutschland am Bau eines Kunstpavillons im Bundesstaat Edo, wo die Bronzen ausgestellt werden sollen.
Geplant ist, die 20 Bronzen 2023 in einer Sonderausstellung gemeinsam mit zeitgenössischer Kunst zu zeigen. Dauerhaft sollen sie im geplanten Edo-Museum für westafrikanische Kunst ausgestellt werden. In Nigeria sind die Bronzen nicht nur Kunstwerke, sondern haben in der Region, in der einst das Königreich Benin lag, bis heute traditionelle und religiöse Bedeutung.
Roth hofft auf weitere Rückgaben
Baerbock ist die erste Politikerin, die geraubte Kunst persönlich in Nigeria überreichte. Deshalb gilt die Übergabe als historisch. "Den Worten folgen Taten", sagte Abba Isa Tijani, Direktor der Nationalen Kommission für Museen und Monumente. Er hoffe, dass weitere Länder folgen. Der nigerianische Außenminister Geoffrey Onyeama wertete die Rückführung als Zeichen der guten Beziehung beider Länder. Nigeria erhebe zwar Anspruch auf die Objekte und wolle sie dort sehen, wo sie hingehörten. Dennoch sehe Nigeria die Benin-Bronzen in einem weiteren Zusammenhang aller Menschen. "Sie sind ein gemeinschaftliches Vermögen der Menschheit."
Kulturstaatsministerin Roth sprach von einem "Moment, der nicht nur unsere beiden Länder, sondern auch unsere Kontinente miteinander verbindet". Die Begegnung sei getragen von Respekt, Interesse und dem Wunsch, voneinander zu lernen. "Wir wollen lernen aus der Auseinandersetzung mit unserer Kolonialgeschichte und wir wollen Verantwortung übernehmen", unterstrich die Grünen-Politikerin. Es sei ein "Wendepunkt in der internationalen Kulturpolitik" und Auftakt für weitere Rückgaben. Deutschland habe zu lange die Augen verschlossen "vor dem Unrecht, das mit diesen Bronzen verbunden blieb, die so lange in unseren Museen gezeigt wurden oder in Depots lagerten".
Nigerianischer Kulturminister: "Werden Moment in Ehren halten"
Ihr Amtskollege Lai Mohammed dankte für die Rückgaben. "Noch vor 20 oder sogar zehn Jahren, hätte niemand die Rückkehr dieser Bronzen nach Nigeria vorausahnen können, weil die Hindernisse für eine Rückführung unüberwindbar schienen." Die Verhandlungen seien nicht einfach gewesen. "Nigeria, Afrika und in der Tat alle Menschen werden sich immer an diesen Moment in der Geschichte der Menschheit erinnern und ihn in Ehren halten, als Deutschland an unserer Seite stand."
Mohammed hofft, dass der Ausstellungspavillon Benin-City zu einem Dreh- und Angelpunkt der Kulturszene wird. Er appellierte an alle Institutionen weltweit, Museen wie das British Museum und Sammler, Kulturgüter seines Landes zurückzugeben. "Sie müssen verstehen, dass viele dieser kulturellen Objekte nicht einfach Kunstwerke für uns sind, sondern den wahren Kern unseres Seins ausmachen." Es gehe bei den Stücken um die Kultur und das Erbe Nigerias. "Sie gehören hierher und nirgendwo sonst hin."

In Nigerias Hauptstadt Abuja hat Bundesaußenministerin Baerbock die in der Kolonialzeit geraubten Kunstwerke zurückgegeben.
Mit Material von dpa, KNA und epd.
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