Es ist ein alter Streit, der nun in der Union neu aufbricht. Im Bundestagswahlkampf hatte sich die Union Frieden in der Sache verordnet. Dass der nicht ewig hält, war quasi zu erwarten. Denn es geht dabei um nicht weniger als eine Grundsatzfrage: Wie soll Deutschland mit Flüchtlingen umgehen? Während Merkel immer wieder klar macht, das Problem humanitär und im europäischen Verbund lösen zu wollen, steht die CSU für ein hartes Durchgreifen und fordert eine grundlegende Asylwende.
Merkel gegen Zurückweisungen an der Grenze
63 Punkte sollte der von Bundesinnenminister Horst Seehofer eigentlich angekündigte Masterplan umfassen. Einer davon: Flüchtlinge sollen schon an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden können. Konkret geht es um Asylbewerber, die schon in einem anderen europäischen Land registriert wurden und deshalb in der Fingerabdruckdatei Eurodac vermerkt sind. Sie müssen nach einer europäischen Verordnung (sog. Dublin-Verordnung) in dem Land Asylantrag stellen, in dem sie erstmals erfasst wurden. Merkel stemmt sich bislang jedoch gegen die Forderung, sog. "Dublin-Fälle" gleich an der Grenze zurückzuweisen. Sie hält das mit EU-Recht unvereinbar und warnt vor einer Überlastung der Staaten an der EU-Außengrenze.
CSU und Merkel unter Druck
Doch für die CSU wiederum dürfte dieser Punkt kaum verhandelbar sein. Mit der Landtagswahl im Rücken steht sie gehörig unter Druck. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und der bayerische Innenminister Joachim Herrmann haben bereits deutlich gemacht, dass sie Abschiebungen direkt an der Grenze für unumgänglich halten. Gut möglich, dass in dieser Situation des alten Streits auch alte Drohungen wieder aktuell werden. Schon 2016 in der Auseinandersetzung um die Obergrenze hatte CSU-Parteichef Seehofer der Kanzlerin mit einem Bruch zwischen CSU und CDU gedroht. Jetzt hätte diese Drohung sogar noch mehr Brisanz. Denn sollte die CSU die Koalition tatsächlich verlassen, wäre das das Ende der neuen "alten Bundesregierung" und käme wohl einem Sturz Merkels gleich. Wollen dürfte das in diesen politisch unsicheren Zeiten niemand in der Bundesregierung – auch nicht die CSU.
Söders Bayerischer Asylplan in Gefahr
Klein beigeben dürfte für die Christsozialen aber ebenso wenig eine Option darstellen. Bundesinnenminister Horst Seehofer kämpft um seinen persönlichen Einfluss, um seine Macht als Bundesminister und CSU-Parteichef. Schließlich sollte der Bundes-Asylplan sein großer Wurf werden. Und auch der bayerische Ministerpräsident, Markus Söder, hat großes Interesse daran, dass Seehofer sich durchsetzt. In der Flüchtlingspolitik funktioniert der viel zitierte "Doppelpass" zwischen Söder und Seehofer, zwischen Bayern und Berlin, bislang ganz gut. Überhaupt waren sich die CSU-Rivalen Söder und Seehofer in Asylfragen schon immer recht nahe. Schnelle Abschiebungen, Ankerzentren, verstärkte Grenzkontrollen: Söders Flüchtlingspolitik in Bayern ist bewusst eng mit dem Bundesasylplan Seehofers verzahnt. Bleibt die Kanzlerin bei ihrem "nein", ist somit auch Söders bayerischer Asylplan in Gefahr. Für die CSU wäre das ein Wahlkampf-Desaster. Schließlich arbeitet sie unter Hochdruck daran die AfD in Bayern klein zu halten. Sie will bei der Asylpolitik liefern, und zwar noch vor der Landtagswahl am 14. Oktober.
Schadenfreude und Rügen aus der Opposition
Auch wenn am Ende womöglich vor allem die AfD profitieren könnte, für die Opposition in Bayern ist der Streit natürlich ein gefundenes Fressen. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher kritisiert, der Zoff schade dem Ansehen der Bundesregierung. Seehofer solle nun solide seine Arbeit machen, statt "konsequenzlose Symbolpolitik zu betreiben", so Rinderspacher. Und Hubert Aiwanger der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler nennt Merkel eine "Totengräberin der Inneren Sicherheit Deutschlands". Jeder weitere Tag unter ihrer Kanzlerschaft schade der Demokratie, so Aiwanger.