Christian Lidner, FDP und Robert Habeck, Grüne bei einer Pressekonferenz im Mai 2022
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Ampel überhitzt – Streit um Heizungen eskaliert

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Ampel überhitzt - Streit um Heizungen eskaliert

SPD, Grüne und FDP hatten sich einst versprochen, Streit möglichst intern zu klären und gar nicht erst eskalieren zu lassen. Doch spätestens seit dem hochumstrittenen Heizungsgesetz klappt das nicht mehr. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Sie wollten es anders machen als frühere Regierungen, sich nicht als "Wildsau" und "Gurkentruppe" beschimpfen, wie das einst Union und FDP getan haben. SPD, Grüne und FDP hatten sich zu Beginn der Ampelkoalition versprochen, auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Alle wussten um Differenzen in bestimmten Punkten, aber als selbst ernannte "Fortschrittskoalition" wollten die drei Partner nicht weniger als einen Neustart in der Gesellschafts- und Klimapolitik. Nach Letzterem sieht es im Moment aber nicht aus.

Eskalation mit dem Heizungsgesetz

Das Schauspiel, das seit dieser Woche in Berlin aufgeführt wird, hat einen langen Prolog. Denn dass die Ampel strittige Punkte hat, wusste sie vor ihrem Start. Während in gesellschaftspolitischen Fragen wie dem Selbstbestimmungs- oder dem Abstammungsrecht weitgehend Einigkeit herrscht, sieht es bei sozialen und klimapolitischen Fragen schon anders aus. Sei es die Kindergrundsicherung, die Verkehrspolitik oder nun eben das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das den Einbau von neuen Öl- und Gasheizungen in Zukunft de facto unmöglich machen soll: Vor allem FDP und Grüne scheinen derzeit inhaltlich nicht zusammen zu kommen. Wegen einer Mischung aus vielen strittigen Punkten steht der Haushalt 2024 immer noch nicht.

Wann und ob das GEG nun wirklich kommt, weiß im Moment kein Mensch. Zu viele Punkte sind nicht geklärt. Sei es nun die Frage, ob die Wärmepumpe das Allheilmittel für die meisten Gebäude sein soll, sei es die Frage des sozialen Ausgleichs - für Vermieter und Hausbesitzer wie für Mieter. Oder auch die Frage nach Übergangsfristen für besonders schwierige Fälle, wenn das Haus zu stark sanierungsbedürftig ist oder die Besitzer alt oder arm sind, oder beides.

Wortbruch, Arbeitsverweigerung und Verzweiflungstaten

Mittlerweile nennt die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic die FDP "verantwortungslos". Wirtschaftsminister Robert Habeck wirft dem Koalitionspartner "Wortbruch" vor, und die Fraktionschefin der Grünen, Katharina Dröge, bescheinigt der FDP "Arbeitsverweigerung".

Die Liberalen dagegen versuchen, betont gelassen zu bleiben. Niemand in der FDP lässt sich zu einer Aussage hinreißen, ob das GEG nun noch vor der Sommerpause verabschiedet werden kann. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, sagt lediglich, das könne er sich nicht vorstellen. Man brauche eigentlich ein "neues Gesetz". Und man nehme den Grünen ihre "Verzweiflungstaten" nicht übel, lässt die FDP ausrichten.

Das GEG als Symbol der Uneinigkeit

Bereits bevor der Streit um das Gebäudeenergiegesetz nun völlig eskalierte, rang die Ampel mehrmals bei verschiedenen Themen um Einigkeit. 30 Stunden saß im März der Koalitionsausschuss zusammen, um gemeinsame Ziele für den Klimaschutz festzuzurren. Die FDP schien danach weitaus zufriedener zu sein, konnte sie doch in der Verkehrs- und Klimaschutzpolitik ihre Vorstellungen besser durchbringen als die Grünen.

Nach eineinhalb Jahren bricht nun auf, was nicht passt zwischen SPD, FDP und den Grünen. Soziale Fragen beantwortet die SPD völlig anders als die FDP und die Grünen. Beim Klimaschutz liegen FDP und Grüne meilenweit auseinander. In der Finanzpolitik präsentiert sich der Graben der Uneinigkeit in voller Schönheit. Er reicht von der Möglichkeit, die Schuldenbremse zu reißen und die Steuern zu erhöhen (Grüne und teilweise SPD) hinüber zum Credo, die Schuldenbremse einzuhalten und niemals höhere Steuern zu verlangen (FDP).

Hat jemand Führung bestellt?

Das zähe Ringen um das GEG eskalierte in den vergangenen Wochen. Und alle haben zugesehen. Offensichtlich hat die möglichen Streitpunkte zum Start der Ampel zwar jeder erkannt, aber niemand entwickelte einen Fahrplan, wie man dann, wenn es zum Schwur kommt, damit umgehen will.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält sich auffällig zurück in diesem Streit. Dabei hatte er einst süffisant betont: "Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch." Bereits vor fast einem Jahr musste er schon einmal durchgreifen, als sich FDP und Grüne in der Frage der Laufzeiten von Atomkraftwerken völlig verheddert hatten. Jetzt wäre es wieder an der Zeit, findet zumindest die Union. Fraktionschef Friedrich Merz forderte, der Bundeskanzler möge die Führung übernehmen und dieses "Chaos beenden". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bescheinigt der Ampelkoalition, sie sei "stehend k.o.".

Der Streit um das GEG geht nun jedenfalls in die nächste Runde. Die Schimpfworte "Wildsau" und "Gurkentruppe" sind noch nicht gefallen. Zumindest nicht öffentlich.

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