In seinem überwiegend goldfarben glänzenden Oval Office formulierte es der Präsident am Montag ganz deutlich: Seine Regierung versuche "legale Wege" zu finden, um US-Bürger nach El Salvador in die dortigen Haftanstalten deportieren zu können. Dabei würde es sich nur um "gewalttätige Menschen" handeln, erläuterte Trump: "Wir haben einheimische Kriminelle, die Leute vor U-Bahnen schubsen, die älteren Damen mit einem Baseballschläger auf den Hinterkopf schlagen, das sind absolute Monster." Er würde sie "gerne in die Gruppe der Menschen einbeziehen, um sie aus dem Land zu bringen". An welche Anzahl von Personen denke er denn dabei, wollte eine Journalistin von Trump wissen. "So viel wie möglich."
Vorbild El Salvador?
Neben Donald Trump saß derjenige mittelamerikanische Staatspräsident, der über 200 venezolanische Migranten aus den USA in sein berüchtigtes Hochsicherheits-Gefängnis "CECOT" (Centro de Confinamiento del Terrorismo – Zentrum zur Eindämmung des Terrorismus) bereits inhaftiert hat: Der 43-jährige Nayib Bukele, der sich mitunter gerne als der "coolste Diktator der Welt" bezeichnet. Bukele, seit 2019 im Amt, hat in El Salvador Teile der Verfassung außer Kraft gesetzt und Zehntausende Menschen ohne reguläre Gerichtsverfahren einsperren lassen, um gegen die Kriminalität vorzugehen. Das sollte Trump auch versuchen, riet der salvadorianische Präsident seinem US-Kollegen vor laufenden Kameras: "Sie müssen 350 Millionen befreien. Aber um 350 Millionen Menschen zu befreien, müssen Sie einige inhaftieren. So funktioniert das doch, oder?"
Ausländische Gulags für US-Bürger?
Entsetzt reagieren ehemalige US-Bundesrichter und Wissenschaftler auf die Ankündigung Trumps, rechtlich prüfen zu lassen, amerikanische Staatsbürger, die straffällig geworden sind, ins Ausland zu verbringen. Der US-Historiker Timothy Snyder befürchtet "ausländische Gulags für amerikanische Staatsbürger". Snyder bezieht sich dabei auf das berüchtigte Straflagersystem in der ehemaligen Sowjetunion. Der damalige Diktator Stalin hatte Millionen von Sowjetbürgern in den Gulags, den Gefangenenlagern, verschwinden lassen. Präsident Trump teilte gestern dem salvadorianischen Präsidenten mit, dass "die (amerikanischen) Einheimischen die Nächsten sind" und dass El Salvador "etwa fünf weitere Orte" für die Unterbringung amerikanischer Bürger bauen müsse.
Snyder schreibt auf seinem "Substack"-Blog wörtlich: "Der Präsident der Vereinigten Staaten schlägt also vor laufender Kamera vor, Amerikaner in ausländische Konzentrationslager abzuschieben." Ehemalige US-Bundesrichter, wie der Jura-Professor Harry Lipman, vertreten die Auffassung, dass Trump offenbar glaube, in einer "verfassungsfreien Zone" agieren zu können.
Auch gewalttätige Kriminelle dürften beispielsweise nicht "gefoltert" werden, sagte Lipman dem US-Sender CNN. Das würde gegen Artikel 8 der US-Verfassung verstoßen. Nichts anderes schlage der Präsident aber vor: "Wir schicken die Leute zu unseren Kumpeln, um die foltern zu lassen und niemand in den USA kann das anfechten." Die US-Regierung setzt auf folgendes "Vorteil": Personen, die nach El Salvador verbracht werden, fielen somit nicht mehr unter die Gerichtsbarkeit der USA. Amerikanische Richter könnten nicht anordnen, dass jemand freigelassen oder in die USA zurückgeschickt wird, wenn die Person bereits in El Salvadors Gefängnissen ist. Schließlich habe die US-Regierung keinen Einfluss mehr über die deportierten Personen.
Eindringliche Warnung des Obersten US-Gerichtshof
Der Oberste US-Gerichtshof musste sich in der vergangenen Woche mit diesem offenkundigen "Schlupfloch" in der amerikanischen Gesetzgebung befassen: Einstimmig warnten die neun Richterinnen und Richter den Präsidenten, er könne nicht ohne jede richterliche Anhörung venezolanische mutmaßliche Gang-Mitglieder nach El Salvador fliegen lassen. Richterin Sonia Sotomayor wurde in einer Einzelerklärung sehr deutlich: "Die Position der Regierung hat zur Folge, dass nicht nur Nicht-Staatsbürger, sondern auch Bürger der Vereinigten Staaten von der Straße geholt, in Flugzeuge gezwungen und in ausländischen Gefängnissen gesteckt werden könnten." Und zwar, so fügte Richter Sotomayor hinzu, "ohne dass sie die Möglichkeit haben, Rechtsmittel einzulegen."
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