Wenn Ingeborg Engl einkaufen geht, muss sie sehr aufs Geld achten. Bei Lebensmitteln ist ihr die Qualität wichtig und sie kauft regional. Doch bei allem anderen gilt: alles so günstig wie möglich. Apps in ihrem Smartphone helfen ihr dabei: "Wenn ich die an der Kasse zeige, dann kriege ich noch mal zehn oder 20 Prozent."
Arbeiten trotz Rente
Seit 1. Juli ist die 65-Jährige in Altersrente, doch schon seit 16 Jahren muss die ehemalige Kindergärtnerin penibel auf ihre Ausgaben achten. Damals wurde sie unverschuldet in einen schweren Autounfall verwickelt. Nach drei Reha-Maßnahmen wurde sie arbeitsunfähig entlassen.
"Ich muss unheimlich auf mein Geld schauen, jeden Pfennig umdrehen. Ich bin in die Rente gekommen und muss mit 800 Euro leben. Bei einer Miete von 500 Euro können Sie sich ausrechnen, was überbleibt. Und mit der Inflation verschwindet mein Geld." Ingeborg Engl
Um überhaupt über die Runden zu kommen, hat Ingeborg Engl einen Minijob: Sie betreut nachmittags Kinder in Privathaushalten. Diese Idee hatte sie schon vor Jahren, als klar war, dass sie nicht mehr in einem Kindergarten arbeiten können würde.
Die Arbeit mit den Kindern macht ihr Freude – und sie sorgt dafür, dass sie sich überhaupt noch die Ausgaben für Haftpflicht- und Zahnzusatzversicherung leisten kann.
Hilfe vom Verein "Lichtblick Seniorenhilfe e.V."
Vor ein paar Jahren lernte Ingeborg Engl den Verein "Lichtblick Seniorenhilfe e.V." durch einen Zeitungsartikel kennen. Der Verein mit Sitz in München, Deggendorf und Münster unterstützt mehr als 22.000 Rentner, die von Altersarmut betroffen sind.
Beim Einkaufen muss Rentnerin Ingeborg Engl auf jeden Cent achten.
- Bericht: Neuer Höchststand bei Rentnern in Hartz IV
Ingeborg Engl wandte sich schon das ein oder andere Mal an den Verein, leicht fiel ihr das jedoch zunächst nicht, erzählt die Rentnerin: "Für mich war es eine ganz arge Hürde, wirklich die Hosen runterzulassen und zu sagen: Ich brauche Hilfe." Sie sei ein Mensch, der lieber selber kämpft und alles versucht, um durchzukommen. Doch nun sei der Verein ihr "letzter Lichtblick", sagt Ingeborg Engl. "Das sind wirklich Engel.“
Kein Geld für Freizeit und Urlaub
Ingeborg Engl fühlt sich vom Leben ausgeschlossen. Die meisten Freizeitaktivitäten kann sie sich nicht leisten, einen Urlaub schon gar nicht. Dabei wäre es einer ihrer sehnlichsten Wünsche, nochmal in die Therme nach Bad Füssing zu fahren. Einmal war sie schon dort und schwärmt noch heute davon: "Ich war happy. Es war alles da, was man sich nur vorstellen kann, um glücklich zu sein. Das würde ich mir gerne mal wieder leisten wollen – damit ich mal wieder lachen kann. Ich habe das Lachen verlernt."
Ingeborg Engl wohnt in Tutzing am Starnberger See. Immer wieder bekommt sie zu hören, sie wohne ja selbst "an einem Urlaubsort". Doch das macht es nicht leichter für die Rentnerin. Denn bei den Spaziergängen am See werde ihr vor Augen geführt, was sie sich alles nicht leisten kann: Restaurantbesuche, Boot fahren oder auch nur mal ein Eis. Alles purer Luxus für sie und das tue weh.
"Wie lange kann ich mir die Wohnung noch leisten?"
Von ihrer Wohnung aus hat Ingeborg Engl einen herrlichen Blick auf den See, doch sie kann sich daran nicht freuen. Zu viele Zukunftsängste habe sie. Immer bangt sie um ihren Job, macht sich Sorgen, wie lange sie sich die Wohnung noch leisten kann. Von der Politik fühlt sie sich übersehen.
"Ich möchte, dass die Politiker nicht immer nur Pfennigbeträge auszahlen. Ich möchte, dass die Politiker sich die Rentner anhören, vor Ort gehen, dass die ihre Geschichten miterleben, wie einzelne Fälle aussehen; dass die Politiker umdenken und sagen: Wenn es eine Inflation gibt, dann müssen die Rentner mehr Geld bekommen. Wir können so nicht mehr leben und unser Alter nicht mehr genießen.“ Ingeborg Engl
Gerade erreichte Ingeborg Engl die Hiobsbotschaft, die sie so fürchtet: Ihr wurde gekündigt. Ab September steht sie ohne Minijob da. Jetzt hofft sie bis dahin eine neue Familie zu finden, die sie in der Kinderbetreuung unterstützen kann, denn sonst sieht es düster aus.
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