Nach dem Absturz einer US-Drohne über dem Schwarzen Meer warnt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor zu schnellen Schlüssen: "Natürlich müssen wir mit Sorge darauf schauen. Aber bevor wir ein Urteil fällen über die Urheberschaft, was den Absturz der Drohne angeht, sollten wir die noch laufende Aufklärung abwarten", sagte Steinmeier beim Besuch auf der Luftwaffenbasis Ämari in Estland. "Wir wissen gegenwärtig noch nicht, ob es eine eher unbeabsichtigte Begegnung von Drohne und Flugzeug oder ob es ein absichtsvoll gehandelter Vorgang war." Moskau und Washington machten gegensätzliche Angaben, wie es zu dem Zwischenfall kam.
USA: Kampfflugzeug beschädigte Propeller der Drohne
Nach US-Angaben war die Drohne vom Typ MQ-9 Reaper in internationalem Luftraum mit einem russischen Kampfflugzeug des Typs Su-27 zusammengestoßen, wobei ihr Propeller beschädigt wurde. Später hieß es, russische Kampfflugzeuge hätten Treibstoff auf die Drohne abgelassen hätten, um sie zum Absturz zu bringen. Das Militär habe sie deshalb ins Meer stürzen lassen.
Die US-Regierung erwägt, Bildmaterial von dem Vorfall zu veröffentlichen, um für Aufklärung zu sorgen. "Wir haben Videobeweise für all das", erklärte US-Generalstabschef Milley. Auf die Frage, ob die russischen Piloten mit Absicht gehandelt hätten, sagte er, das Abfangmanöver und das aggressive Handeln habe die russische Seite mit Absicht betrieben. Ob der Kampfjet auch absichtlich die Drohne getroffen und damit zu Boden gezwungen habe, müsse sich noch zeigen.
Russland dagegen versicherte, seine Maschinen hätten die Drohne nicht berührt und auch keine Waffen eingesetzt. Die Drohne sei vielmehr nach einem scharfen Ausweichmanöver mit der Wasseroberfläche kollidiert. "Vielleicht hätten diejenigen, denen es nicht zusteht, dort nicht fliegen sollen, dann wäre alles sauber gewesen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow im russischen Staatsfernsehen.
Russland: USA an Krieg beteiligt
Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, erklärte im russischen Staatsfernsehen, zwar würden die USA immer wieder betonen, dass sie nicht Kriegspartei seien, der Fall zeige aber ihre Beteiligung an den Kampfhandlungen. "Das ist eine weitere Bestätigung, dass sie unmittelbar an diesen Maßnahmen, am Krieg, beteiligt sind", sagte Patruschew.
Dagegen sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats in den USA, John Kirby, Drohnenflüge in internationalem Luftraum über dem Schwarzen Meer seien ebenso wenig eine Seltenheit, wie Versuche der Russen, sie abzufangen. Allerdings erhöhe das die Gefahr von Missverständnissen und Fehlkalkulationen.
Die MQ-9-Drohne wird in erster Linie zur Aufklärung genutzt, kann aber auch Präzisionsangriffe leisten. Sie wird aus der Ferne gesteuert. Angesichts des Ukraine-Krieges ist die Lage besonders angespannt und die Angst vor einer möglichen direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA und Russland groß.
Bundeswehr Generalinspekteur: Keine Erkenntnisse über Waffeneinsatz
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, bestätigte, dass der Vorfall im internationalen Luftraum stattgefunden habe. Die Drohne sei durch die Amerikaner kontrolliert zum Absturz gebracht worden, sagt er. "Wir haben keine Erkenntnisse darüber, dass es zu einem Waffeneinsatz in irgendeiner Form gekommen ist. Der Rest muss aktuell untersucht werden. Ob es Pilotenfehler waren, ob es technische Defekte waren, können wir im aktuellen Fall nicht sagen", sagte der den Bundespräsidenten begleitende Zorn.
Russland will Drohne aus Schwarzem Meer bergen
Russland will eigenen Angaben zufolge versuchen, die Überreste der US-Drohne aus dem Meer zu fischen. Das sagt der Sekretär des russischen Sicherheitsrat Nikolai Patruschew. Das US-Präsidialamt hatte zuvor erklärt, dass die Drohne möglicherweise nicht geborgen werden kann. Es sei nicht sicher, ob dies überhaupt möglich sei, sagt Sprecher John Kirby. Das Schwarze Meer sei an der Absturzstelle sehr tief. "Deshalb prüfen wir noch, ob es überhaupt Bergungsversuche geben kann. Vielleicht nicht." Der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes, Sergej Naryschkin, sagte, Russland sei in der Lage, die Überreste der Drohne zu bergen. Das Schwarze Meer grenzt sowohl an Russland als auch an die Ukraine, wo Moskau Krieg führt.
Britische und deutsche Kampfjets fangen russisches Flugzeug ab
Derweil haben britische und deutsche Kampfjets ein russisches Flugzeug in der Nähe des estnischen Luftraums abgefangen. Das britische Verteidigungsministerium teilte am Mittwoch mit, die Eurofighter hätten einen Tag zuvor reagiert, weil ein russisches Tankflugzeug nicht mit der estnischen Flugsicherung kommunizierte. Die russische Maschine drang dabei aber nicht in den Luftraum des Nato-Landes ein.
Die deutsche und die britische Luftwaffe patrouillieren bis Ende April im Rahmen der sogenannten Nato Baltic Air Policing gemeinsam und reagieren auf unbekannte Flugzeuge im baltischen Luftraum.
Solche Abfangmanöver sind Routine - schon vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine im vergangenen Jahr waren Nato-Flugzeuge an rund 400 Abfangmanövern pro Jahr beteiligt.
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