Mann trägt ein Kleinkind durch das zerstörte Aleppo

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Abschiebungen: Viele Syrer fürchten die Lage im Heimatland

Sachsen und Bayern haben eine neue Debatte über Abschiebungen nach Syrien angestoßen. Die beiden Länder fordern eine Neubewertung der Sicherheitslage und eine Überprüfung des bestehenden Abschiebestopps. Von Carsten Kühntopp

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Ein Glas Tee, etwas Gebäck - und für die Kinder pinkfarbene Zuckerwatte - Shadia Qawaq erscheint das Leben schön. Sie sitzt in Aleppo in einem Straßencafé, das vor einiger Zeit wiedereröffnete, zu Füßen der Zitadelle, wo es bis vor einem Jahr noch heftige Kämpfe gegeben hatte, zwischen Regierungskräften und Aufständischen.

Aleppo: In Trümmern, aber wieder sicher

"Ich freue mich so sehr. Denn bald werde ich wieder mit meinen Geschwistern und Bekannten hier sitzen. Die Festung und die Bäder habe ich früher oft mit meiner Mutter besucht. Wer die Festung nicht kennt, sollte sie und die Stadtbewohner kennenlernen." Shadia Qawaq

Doch ein Jahr nachdem die Rebellen in Aleppo aufgeben mussten, liegt der Ostteil der Stadt noch immer in Trümmern. Ihn wiederaufzubauen, dürfte die Möglichkeiten der Regierung weit übersteigen. Aber immerhin: In Aleppo sind die Menschen wieder sicher - wie auch in anderen Landesteilen, in denen derzeit nicht gekämpft wird. In einem neuen Bericht stellen die Vereinten Nationen dennoch fest:

"Trotz des Rückgangs des Niveaus der Feindseligkeiten in bestimmten Teilen des Landes, vor allem wegen einiger Übereinkommen zur De-Eskalation und wegen des Rückgangs der Zahl von Belagerungen, ist das Leben zahlloser Zivilisten durch anhaltende oder zunehmende Gewalt in anderen Landesteilen bestimmt." Aus einem Bericht der Vereinten Nationen

Nahe Damaskus ist die Not groß

So auch in Ost-Ghouta, einer Region östlich von Damaskus, die seit 2013 von Regierungskräften belagert wird. Etwa 350- bis 400-tausend Menschen wohnen dort. Seit Wochen folgt ein Luftangriff auf den anderen, immer mehr Menschen essen Tierfutter oder das, was sie im Müll finden. Und immer wieder kostet die Belagerung Leben - so das von Mohammed Ghabboura. Dessen Vater berichtet, dass sein neugeborener Sohn nur drei Tage alt wurde.

"Er hat eine Spritze gebraucht, um seine Lunge zu öffnen, und die gab's nicht. Ich habe gestern überall danach gesucht, vergebens. Nur in Damaskus gibt es das, und wir können da nicht hin." Syrischer Vater

Kinder trifft es am härtesten

Unicef Deutschland nennt 2017 das bisher wohl schlimmste Jahr des Konflikts für Kinder. Allein im ersten Halbjahr seien mehr Kinder ums Leben gekommen, als im gleichen Vorjahreszeitraum. Nach wie vor ist mehr als jeder zweite Syrer auf der Flucht, das sind 12,6 Millionen Menschen - so die Vereinten Nationen. Mehr als sechs Millionen von ihnen sind Binnenflüchtlinge, fünfeinhalb Millionen haben das Land verlassen. Und mehr als 13 Millionen Menschen in Syrien benötigen derzeit humanitäre Hilfe.

"Die Menschen leiden so sehr - sie wissen einfach nicht mehr, wie es weitergehen soll. Wir haben jetzt innerhalb Syriens zehn Millionen Menschen, die nicht genug zu essen haben, und ihr tägliches Leben ist die Hölle." Bettina Lüscher, Welternährungsprogramm

Vereinte Nationen: Nicht überall ist es sicher

Eine Karte der Vereinten Nationen zeigt die Flüchtlingsbewegungen im Land im ersten Dreivierteljahr: Pfeile zeigen in alle Richtungen, denn wann immer eine bestimmte Region zu unsicher wird, suchen Menschen andernorts Schutz. Im September zählten die Vereinten Nationen deshalb 265.000 solcher Flüchtlingsbewegungen innerhalb Syriens, ein starker Anstieg im Vergleich zum Vormonat und zum September vor einem Jahr. Bisher seien in diesem Jahr 721.000 Menschen in ihren Heimatort zurückgekehrt. Verglichen mit dem Vorjahr sei das ein leichter Anstieg, so die Vereinten Nationen, aber:

"Die allgemeinen Bedingungen für eine sichere und dauerhafte Rückkehr gibt es in vielen Teilen des Landes noch nicht." Aus einem Bericht der Vereinten Nationen