"Leben teilen" heißt das Motto des 102. Katholikentags, zu dem das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ab heute in Stuttgart einlädt. Anders, als noch beim letzten Katholikentag 2018 in Münster, an dem sich rund 90.000 Besucher beteiligten, werden heuer nur gut 30.000 Teilnehmer vor Ort erwartet. Das veranstaltende ZdK ermöglicht während der fünftägigen Großveranstaltung aber auch, per Livestream von anderswo aus zu verfolgen, wenn Kirchenvertreter untereinander oder mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft ins Gespräch kommen.
"Ganz klar wird dieser Katholikentag aber ein eher kleinerer werden", sagt ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur und verweist auf nach wie vor hohe Corona-Inzidenzen. "Da bucht man nur schwer im Voraus eine Karte."
Das ZdK steht als wichtigste Laienvereinigung der katholischen Kirche in Deutschland für innerkirchliche Reformen, die auf dem Synodalen Weg von Deutscher Bischofskonferenz (DBK) und ZdK derzeit diskutiert werden. Gefordert wird die Öffnung von Weiheämtern für Frauen, eine Kehrtwende der katholischen Kirche in Sachen Homosexualität, die Freistellung des Zölibats und die Beschränkung klerikaler Macht durch mehr Leitungsverantwortung für ungeweihte Gläubige.
Katholikentag, ein "Ort der Häresie"?
Unter anderem um diese Themen wird es auch auf dem Katholikentag gehen, aber nicht alle Katholiken sehen in den Punkten Diskussionsbedarf. Konservative Vertreter machen sich eher rar.
Den katholischen Publizisten Andreas Püttmann wundert das nicht: "Einerseits wollen konservative Katholiken gar nicht mehr hin, weil sie es als Ort der Häresie betrachten, und andererseits fühlen sich die Liberalen nach dem Missbrauchsskandal so stark, dass sie sagen: Wir brauchen denen auch keine Dialogangebote mehr vorzulegen und müssen nicht mehr versuchen, sie zu integrieren, weil das Problem sich demographisch demnächst von selbst erledigt."
Auch zwei prominente deutsche Bischöfe, auf die konservative Katholiken ihre Hoffnung setzen, tauchen im Programm des Katholikentags nicht auf: der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki und der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Beide haben sich in der Vergangenheit auch wiederholt als Kritiker des Synodalen Weges in Position gebracht.
Eine Anfrage des BR beim Bistum Regensburg zu Voderholzers ausbleibender Teilnahme blieb zunächst unbeantwortet. Am Mittwoch teilte das Bistum mit, Voderholzer nähme an einer parrallel stattfindenden Veranstaltung in Tschechien teil. Das Erzbistum Köln teilte mit: "Kardinal Woelki ist eine Teilnahme am Katholikentag aus terminlichen Gründen leider nicht möglich."
"Politische Absage": Woelki und Voderholzer kommen nicht
Püttmann, selbst im Erzbistum Köln zu Hause, hält das vor dem Hintergrund der Debatten um Kardinal Woelki für wenig stichhaltig. "Die Laien sind ja ein wesentlicher Teil der Kirche, und sie haben sich nun mal diese Organisation gegeben. Dann muss ich diese Termine, die ja zwei Jahre vorher feststehen, als Bischof eigentlich in meinem Kalender blocken und sagen: Da ist Katholikentag und dann habe ich da keine anderen Termine."
Der Publizist hält es daher für "eine politische Absage" Woelkis an den allgemeinen Reformkurs, der sich auf dem Katholikentag abzeichnet. ZdK-Präsidentin Stetter-Karp zufolge stünden die Teilnehmenden der Großveranstaltung indessen "keineswegs nur für eine Richtung". Sie hätte sich zwar gefreut, wenn Woelki und Voderholzer teilgenommen hätten, wolle ihr Fernbleiben "aber nicht überbewerten".
Nur ein Spitzenvertreter der Union vor Ort
Fernbleiben, das tun heuer aber offensichtlich nicht nur Vertreter aus dem deutschen Episkopat, sondern auch der Politik. Während die Unionsparteien, vor allem die CSU, traditionell dem Katholizismus am nächsten standen, kommt heuer nicht einmal CDU-Chef Friedrich Merz. "Aus familiären Gründen", hieß es auf BR-Anfrage. Auch CSU-Chef Markus Söder ist auf keinem Podium vorgesehen.
Dafür diskutiert etwa Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang auf zwei Podien (zu Klimawandel und Künstlicher Intelligenz), SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert stellt sich der Frage: "Wer braucht noch die Kirche?" Immerhin der EVP-Fraktionschef und stellvertretende CSU-Parteivorsitzende Manfred Weber kommt nach Stuttgart. Er ist auch Mitglied im ZdK.
Für die fünf Tage, an denen der Katholikentag bis einschließlich Sonntag stattfindet, sind rund 1.500 Veranstaltungen geplant. Als Kosten kalkuliert werden zehn Millionen Euro aus Eigenmitteln, Bistums-Zuschüssen und Geldern der übrigen Diözesen, der Stadt Stuttgart, des Landes Baden-Württemberg und vom Bund. "Unter dem Strich hoffen wir auf eine schwarze Null", sagt Stetter-Karp.

Beim Katholikentag in Stuttgart wird für den Frieden gebetet. Bis zu 30.000 Besucher werden bis Sonntag erwartet.
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