Diesem Willy kann keiner entkommen bei der SPD. Überlebensgroß steht Brandt als Bronze-Statue im Atrium der nach ihm bekannten Berliner Parteizentrale. Die Hand riesig und mahnend erhoben, wie um den Weg zu weisen. Nicht immer leicht für die Genossen:
"Der Willy Brandt im Willy-Brandt-Haus als Figur ist ja schon eine Belastung für die Partei. Wenn man sieht, wie der inszeniert wird, dieser Schatten von Willy Brandt." Torsten Körner, Brandt-Biograf
"Mehr Demokratie wagen"
Ein Schatten, der weit fällt. Auch 25 Jahre noch nach seinem Tod. Er war einer, der die Sozialdemokraten mitgerissen und geprägt hat. Mit Botschaften wie:
"Wir wollen mehr Demokratie wagen." oder "Jetzt sind wir in einer Situation, in der wieder zusammen wächst, was zusammen gehört."
Die SPD und der Geist von Willy Brandt
Aber wie viel Willy steckt noch in der SPD, oder besser: Wie viel Brandt brauchen die Genossen jetzt? Welche Visionen, und auch wie viel Mut? Willy Brandt jedenfalls hatte mehr Zeit, als die Sozialdemokraten ihren Chefs im Moment einräumen, meint Autor Torsten Körner:
"Brandt durfte 1961 verlieren, er durfte 1965 nochmal verlieren. Und ist erst dann Kanzler geworden. Wenn man jetzt sieht, wie die SPD ihre Kandidaten verschlissen hat in den letzten zwölf Jahren, das ist ja dramatisch. Und ich glaube, wenn man Schulz jetzt wieder absägen würde, wieder loswerden würde, dann würde man dem Mann auch die Möglichkeit nehmen, sich für die Zukunft zu öffnen, zu entwickeln." Brandt-Biograph Torsten Körner
Durchhalten und Fragen stellen
Durchhalten, aber auch schonungslos die Partei infrage stellen, sagt Ex-SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann – das stehe jetzt an, im Geiste von Willy Brandt:
"Na, wir können erst mal von ihm lernen, dass man auch in schwierigen Situationen stehen muss. Und er hat auch in Zeiten Reformideen entwickelt, wo diese überhaupt nicht populär waren. Aber er hat dann zu diesen Positionen gestanden, hat das durchgehalten und dann am Ende Recht bekommen. Von Willy Brandt können wir den langen Atem lernen." Thomas Oppermann, langjähriger SPD-Fraktionschef
Orientieren an Willy Brandt
Brandt, der Europäer, der Sozialpolitiker. Er wollte die SPD nicht in die Mitte oder nach rechts rücken, sondern diese Mitte nach links verschieben. Wie die Sozialdemokraten sich jetzt erneuern wollen, auch wieder begeistern wollen à la Willy Brandt, ist völlig offen, sagt Autor Körner: "Mehr Politik wagen" hieße, dass Politik nochmal versucht, eine andere Sprach zu sprechen, so Körner. "Dass man in den Kommunen den Bürger zu einer anderen Art der Mitarbeit ermuntert. Dass man um Nachwuchs wirbt."
"Die SPD muss die Frage der sozialen Gerechtigkeit neu und anders denken. Sie muss sich wieder stärker Europa widmen. Und sie muss das große Thema 'mehr Demokratie wagen', das Willy Brandt so wichtig war, nochmal aufgreifen und versuchen, das ins Land zu tragen." Torsten Körner, Brandt-Biograph
Kann Schulz Brandt?
Hat Martin Schulz das Charisma dazu, à la Willy Brandt, oder kann er es sich erarbeiten? Die Chance ist da, sagt Körner: "Wenn jemand wie Schulz Charisma entwickeln könnte, dann jetzt in der Niederlage!" Was Thomas Oppermann ähnlich sieht: "Klar, er muss sich an Willy Brandt orientieren – ich bin sicher, das gibt ihm Kraft!"