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Merkel erwartet vom EU-Gipfel "keine perfekte Lösung"

Vor dem EU-Gipfel zur Asylpolitik dämpft Kanzlerin Merkel die Erwartungen. Die angestrebten Abkommen zur Rückführung von Flüchtlingen, die nicht nach Deutschland sollen, wird es ihr zufolge wohl noch nicht geben. Von Achim Wendler

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Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Jetzt spricht auch Angela Merkel von einer "Schicksalsfrage". Aber sie meint etwas anderes als die CSU, derzufolge die Migration eine Schicksalsfrage ist für Deutschland und CDU/CSU. Laut Merkel könnte die Migration eine "Schicksalsfrage für Europa" werden: "Entweder wir bewältigen das, und zwar so, dass man auch in Afrika und anderswo daran glaubt, dass uns Werte leiten, und dass wir auf Multilateralismus und nicht auf Unilateralismus setzen. Oder aber niemand wird mehr an unser Wertesystem glauben, das uns so stark gemacht hat."

Merkel setzt auf "Koalition der Willigen"

Deshalb gehe es um vieles, sagt Merkel in ihrer Regierungserklärung. Von ihrer Linie weicht sie nicht ab. Man dürfe nicht die Länder allein lassen, in denen die meisten Flüchtlinge Europa erreichen. Gemeint sind Italien und Griechenland. Um sie zu unterstützen, brauche es eine "Koalition der Willigen". Das ist Merkels inhaltlicher wie sprachlicher Gegenentwurf zur "Achse der Willigen" des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz: Ihm zufolge sollen Italien, Österreich und Deutschland bei der Abweisung von Flüchtlingen kooperieren. 

Laut Merkel sollen die EU-Staaten bei der Steuerung der Migration zusammenarbeiten. Einseitige, nationale Maßnahmen lehnte Merkel abermals ab, also keine Zurückweisung an der deutschen Grenze ohne Abstimmung mit den betroffenen EU-Partnern. Nötig seien bilaterale Absprachen, solange eine gesamteuropäische Lösung nicht funktioniere. "Sicherlich keine perfekte Lösung, aber ein Anfang für eine Steuerung und Ordnung der Sekundärmigration, an der man auch danach wird weiterarbeiten müssen." Mit anderen Worten, beim EU-Gipfel wird wohl nichts herauskommen, was abgestimmte Zurückweisungen sofort ermöglichen würde. 

CSU beharrt auf Rückweisungen an der Grenze

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt schüttelt während Merkels Regierungserklärung den Kopf, lässt die Hände ruhen, wenn die Christdemokraten neben ihm klatschen. In seiner Rede beteuert Dobrindt, ein gemeinsames Europa sei auch der Traum der CSU. "Wir begleiten das positiv, die europäischen Lösungen zu ermöglichen." Aber europäische und nationale Maßnahmen gehörten zusammen. Es sei nicht akzeptabel, dass jeder Migrant sich aussuchen könne, wohin er gehe, sobald er europäischen Boden betreten habe. Deshalb bleibe die CSU dabei: An der Grenze sei zurückzuweisen, wenn jemand woanders registriert wurde. 

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles wiederholt ihre Mahnung an die Union: "Streit einstellen! Handeln ist mein Appell!" Das gilt neben Merkel und Dobrindt natürlich auch dem CSU-Chef Horst Seehofer. Aber er ist nicht da. Dringende Termine im Innenministerium, heißt es dort. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland lobt Seehofer in Abwesenheit: Seehofer nehme wenigstens noch im Ansatz deutsche Interessen wahr. An die Adresse Merkels sagt Gauland: "Es wäre natürlich die bizarre Schlusspointe Ihrer unseligen Amtszeit, wenn Sie den Innenminister entlassen, wenn er an den Landesgrenzen das geltende Recht wieder durchsetzt." 

Lindner: CSU wird "beidrehen"

Auch FDP-Fraktionschef Christian Lindner legt den Finger in die Wunde der Union. Die CSU habe Merkel und Deutschland "in Europa erpressbar gemacht". Die CSU werde beidrehen, am Ende werde es wieder "Harmoniebekundungen geben". Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt zufolge geht es der CSU nicht um die Sachfrage, sondern darum, dass Merkel wegkomme. Das Bundesinnenministerium sei nicht die "Nebenwahlkampfzentrale" der CSU. Der Kanzlerin selbst wirft die Grüne vor, zu wenig über Humanität gesprochen zu haben. 

Am Ende der Debatte macht Merkel eine bemerkenswerte Runde durchs Plenum. Sie plaudert mit ihrem Fraktionschef Kauder und Dobrindt, schlendert bei den Grünen vorbei, tippt Andrea Nahles von hinten auf die Schulter, sodass diese heftig erschrickt. Auf dem Weg nach draußen verharrt Merkel sogar noch bei der AfD und redet mit Gauland und seiner Co-Vorsitzenden Alice Weidel. Das Gespräch ist kurz, sieht aber keinesfalls ruppig aus. Dann verlässt Merkel den Bundestag.  Ihre nächste Station ist Brüssel. Gleich heute geht es dort beim EU-Gipfel um die Migration. Am Sonntag wollen die Unionsparteien entscheiden, wie und ob sie gemeinsam weitermachen.