Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Kommentar - Merkels politische Irrfahrt

Im Asylstreit mit der CSU sucht Angela Merkel nicht den Kompromiss, sondern geht weiter auf Konfrontation. Das gefährdet ihre Kanzlerschaft, meint BR-Chefredakteur Christian Nitsche.

Angela Merkel riskiert viel, um die Union auf ihren Kurs zu zwingen. Sie zieht ihr schärfstes Schwert und pocht im Asylstreit auf ihre Richtlinienkompetenz, selbst in der Spezialfrage, ob Flüchtlinge an der Grenze in bestimmten Fällen zurückgewiesen werden können.

Merkel riskiert ein Scheitern der Regierung, um sich nicht selbst verbiegen zu müssen. Obwohl Flüchtlinge in Europa längst auf sicherem Boden sind und selbst dann, wenn sie schon in einem anderen Land registriert sind, will sie sie nach Deutschland einreisen lassen. Jedenfalls solange bis es ein Einvernehmen mit anderen Ländern gibt zur Verteilung der Flüchtlinge.

Merkel koppelt sich immer weiter ab von der Stimmung im Land

Merkel klammert sich an ihre Wunschvorstellung, dass sie wie Helmut Kohl eine Kanzlerin der europäischen Einheit sein könnte. Doch das wird ihr gerade im Bereich der Flüchtlingspolitik nicht gelingen. Merkel setzt hier auf das falsche Thema. Wenn sie stur bleibt, kracht die Koalition, dividieren sich CDU und CSU auseinander und – das ist in der Tat fatal – werden die politischen Spielräume für Populisten und Demokratiefeinde noch größer.

Absurd: Sie will Europa einigen, stärkt im Ergebnis aber gerade die Feinde der europäischen Idee. Merkel koppelt sich immer weiter ab von der Stimmung im Land, lässt sich davon aber nicht beirren. Fast zwei Drittel der Menschen wünschen sich, dass Flüchtlinge ohne Papiere nicht nach Deutschland einreisen dürfen. Merkel sucht aber nicht den politischen Kompromiss mit der CSU, sie geht auf noch mehr Konfrontation. Eine politische Irrfahrt, die sie die Kanzlerschaft kosten könnte.

Den Kommentar können Sie auch in den "Tagesthemen" sehen - um 23.15 Uhr im Ersten.