Der zweifelsohne lauteste von Angela Merkels Gegenspielern in der Flüchtlingspolitik ist Ungarns rechtsnationaler Regierungschef Viktor Orbán: Der bezeichnet Migranten als "Horden von Invasoren" und warnt davor, dass die einst "europäische Großstädte besetzen" würden. Merkels Herzensanliegen, Schutzbedürftige fair in Europa zu verteilen, erteilt Orbán seit Herbst 2015 beständig eine Absage: "Das Problem ist kein europäisches, es ist ein deutsches", befand Orbán schon 2015.
Merkels gefährlicher Gegner in Österreich
Zu einem möglicherweise noch gefährlicheren Gegner Merkels ist aber Österreichs Kanzler Sebastian Kurz geworden: Mit 31 Jahren noch nicht einmal halb so alt wie Merkel und von Donald Trumps Botschafter in Berlin, Richard Grenell als "Rockstar" gefeiert, hatte er seit Beginn der Flüchtlingskrise die – wie er sie nannte – "Einladungs- und Willkommens-Politik" des großen Nachbarlandes auf’s Korn genommen. So stellte Kurz, damals noch Österreichs Außenminister, bereits im Januar 2016 fest, dass diese Politik gescheitert sei: "Die andere Antwort kann nur sein, die Flüchtlinge zu stoppen: Im Idealfall an der EU-Außengrenze, aber wenn das nicht funktioniert, dann an nationalen Grenzen."
Kurz sucht heute demonstrativ den Schulterschluss mit der CSU. Scheint gemeinsam mit ihr und Italiens neuem starkem Mann, Innenminister Salvini, an einer Art "Achse der Willigen"‘ zu basteln, die eine "Null-Toleranz-Politik"‘ in Flüchtlingsfragen propagiert. Die schlechte Nachricht für Merkel ist: Da die Popularität von Orbán, Kurz und Co. ja auf deren harter Haltung beruht, dürfte deren Interesse an einer umfassenden europäischen Lösung der Frage begrenzt sein. Andererseits ist fraglich, ob Merkels Gegenspieler ernsthaft ein Interesse an ihrem Sturz haben können – denn es ist nicht ausgemacht, dass eine entzweite EU den Herausforderungen, vor die sie nicht nur US-Präsident Trump stellt, gewachsen wäre. Und Europa scheitern sehen will innerhalb der EU derzeit eigentlich niemand.
Unterstützung von Macron aus Frankreich
Gleichzeitig ist es nicht so, dass die deutsche Kanzlerin in Europa keine Mitstreiter mehr hätte. "Wir glauben fest an eine europäische Antwort auf die Migrations-Herausforderung", sagt Frankreichs Staatspräsident Macron, von Pro-Europäern als "Lichtgestalt" gefeiert. Macron weiß sehr genau, dass die EU am Ende sein dürfte, wenn jetzt auch noch die so viel beschworene "Achse Berlin-Paris" schwächelt. Auch wenn er weder in Finanz-, noch in Verteidigungs-, noch in Flüchtlingsfragen exakt das Gleiche will wie die deutsche Kanzlerin, das Gespann "Merkel-Macron" – auch "Mercron" genannt – wird gerade in diesen schwierigen Zeiten, nach Außen Geschlossenheit zu zeigen.
Juncker, Tsipras, Sanchez auf Merkels Seite
Dass EU-Kommissionschef Juncker, dazu noch Merkels Parteifreund, zu ihr hält, ist keine Überraschung. Dafür bekommt die Kanzlerin nun auch Rückendeckung von unerwarteter Seite. "Einige EU-Staaten glauben: Wenn das Problem sie nicht betrifft, brauchen sie keine Solidarität für gemeinsame Lösungen zu zeigen", kritisiert Griechenlands Regierungschef Tsipras. Er hingegen glaube an einen europäischen Ansatz, so Tsipras. Der rechtzeitig zum Gipfel auch Offenheit für ein Abkommen mit Deutschland über die Rücknahme von Flüchtlingen signalisierte, wie die Financial Times berichtete.
Auch Spaniens neuer Ministerpräsident Sanchez wirbt bei der Migrationsfrage für einen europäischen Ansatz und für Solidarität mit Deutschland. Eins ist klar: Nie zuvor war das Schicksal Merkels so eng verknüpft mit dem Schicksal der EU.