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Europa im Visier des Terrors Deutschland hatte bislang Glück

Erst Madrid, dann London und Paris, schließlich Brüssel. In immer kürzeren Abständen wird Europa von Anschlägen des radikal-islamischen Terrors heimgesucht. Auch Deutschland entging nur knapp. Eine Chronik:

Von: Benedikt Gradl

Stand: 23.03.2016 | Archiv

Bataclan Paris | Bild: picture-alliance/dpa

Europa ist im Fadenkreuz des radikal-islamischen Terrors. Und das nicht erst seit gestern. Die ersten Anschläge, die radikalen Islamisten zugeordnet werden, ereignen sich am 11. März 2004 in Madrid. Am frühen Morgen detonieren zehn Sprengsätze in voll besetzen Pendlerzügen, die von den Vororten zum Madrider Hauptbahnhof unterwegs sind. Bei den Anschlägen sterben 191 Menschen, über 2.000 werden verletzt. Auch Deutschland steht unter Schock.

"Zum ersten Mal trifft eine terroristische Attacke diesen Ausmaßes ein Land der Europäischen Union. Der Terrorismus rückt näher, denn diese wahnsinnigen Anschläge sollten unmittelbar das Alltagsleben der Menschen einer der großen Hauptstädte Europas treffen."

Wolfgang Thierse, früherer Bundestagspräsident

Konkrete Gefährdungslage

Und damit sollte Bundestagspräsident Thierse recht behalten. Nur ein Jahr später der nächste große Anschlag in einer europäischen Hauptstadt: Diesmal in London. in der Hauptverkehrszeit am Morgen zünden sogenannte islamistische Rucksackbomber Sprengsätze in vollbesetzten U-Bahnen und in einem Doppeldeckerbus. An diesem Tag sterben in London 56 Menschen. Der Anschlag sorgt für Entsetzen in Großbritannien und Deutschland. Trotzdem sieht der damalige Bundesinnenminister Schily zu diesem Zeitpunkt noch keine konkrete Gefährdungslage.

Köln entgeht einer Katastrophe

Wieder ein Jahr später sieht das dann aber anders aus:  Am 31. Juli 2006 entgeht Köln nur knapp einer Katastrophe. Zwei Kofferbomben, die in Regionalzügen deponiert sind, explodieren nur deshalb nicht, weil die Attentäter beim Bau der Zünder Fehler gemacht haben. Danach bleibt Europa fast 10 Jahre von terroristischen Anschlägen verschont, dann, am 7. Januar 2015, trifft es Frankreich. Islamistische Terroristen stürmen die Redaktionsräume der Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" und erschießen elf Menschen. Frankreichs Staatspräsident Hollande wendet sich erschüttert an sein Volk:

Erst der Anschlag auf "Charlie Hebdo" dann auf das Theater "Bataclan"

"Frankreich steht unter Schock. Dies ist ohne Zweifel ein terroristischer Anschlag. Wir sind eine Zielscheibe, weil wir ein Land der Freiheit sind."

Francois Hollande, französischer Staatspräsident

Und dieses Land der Freiheit wird wenige Monate später, am 13. November 2015, erneut zur Zielscheibe des Terrors.

Militante Islamisten schießen wahllos auf Café- und Restaurantgäste, Selbstmordattentäter sprengen sich in die Luft. Im Theater Bataclan feuern die Angreifer um sich und werfen Handgranaten auf die Konzertbesucher. Bei der Anschlagsserie, zu der sich der sogenannte Islamische Staat bekennt, sterben 130 Menschen.

"Dieser Angriff auf die Freiheit gilt nicht nur Paris, er meint uns alle und er trifft uns alle und deswegen werden wir auch alle gemeinsam die Antwort geben."

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Die Kanzlerin weiß, dass auch Deutschland nicht sicher ist. Aufgrund einer sehr konkreten Terrorwarnung wird wenige Tage nach den Paris-Attentaten das Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden in Hannover abgesagt. Bis heute wurden Meldungen über Sprengstoff-Funde weder bestätigt noch dementiert.

Zehn Anschläge innerhalb eines Jahres in der Türkei

Nach dem Anschlag in Istanbul vom 19. März 2016

Auch die Türkei kommt nicht zur Ruhe. Innerhalb eines Jahres erschüttern mehr als zehn Anschläge das Land, zu denen sich entweder PKK-Rebellen oder IS-Milizen bekennen. Mindestens 250 Menschen verlieren ihr Leben. 

Gestern dann der verheerende Angriff auf Brüssel, den Sitz der Europäischen Union und der NATO. Und wieder wird deutlich: Gegen Terroranschläge gibt es keinen wirklichen Schutz. Für die Sicherheitskräfte sei es extrem schwierig einzuschätzen, wann, wie und wo Terroristen wieder zuschlagen, sagt der ARD-Terrorexperte Holger Schmidt.

"Aber diese Unsicherheit und dieses komische Gefühl – es könnte noch weiter gehen – das ist Teil der zynischen Strategie über die die Terroristen nachdenken und mit der sie arbeiten, weil sie eben uns, als die Bevölkerung, genau in dieser Unsicherheit und genau in dieser Angst halten möchte."

Holger Schmidt, Terrorexperte


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