Castoren-Behälter mit radioaktivem Müll.
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Die Suche nach einem geeigneten Endlager geht weiter. Bis dahin bleibt der Atommüll dort, wo er produziert wurde.

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Zwischenlager ohne Ende? Wie lange der Atommüll bleiben muss

Wohin mit dem Atommüll? Deutschland ist aus der Kernkraft ausgestiegen, doch diese Frage bleibt. Die Wahl eines geeigneten Endlagers verzögert sich - und das sorgt für viel Frust an ehemaligen Kraftwerksstandorten, wie zum Beispiel in Gundremmingen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Im Landkreis Günzburg sind sie von Weitem sichtbar - die Kühltürme des Kernkraftwerks Gundremmingen. Seit Silvester 2021 stoßen sie schon keinen Dampf mehr aus, an diesem Tag wurde das Atomkraftwerk abgeschaltet und befindet sich seitdem im Rückbau. Kurt Schweizer ist dennoch besorgt.

"Wir haben hier auch ein Zwischenlager und jeder Castor enthält das zigfache dessen, was in Tschernobyl freigesetzt wurde", sagt Schweizer, der im Nachbarort Offingen lebt, Geschäftsführer einer Firma für Solaranlagen ist und für die Grünen im Kreistag sitzt. Er kritisiert, dass die hochradioaktiven Abfälle oberirdisch aufbewahrt werden: "Nehmen wir mal an, es gibt einen Terroranschlag oder Krieg, da sind die Behälter in meinen Augen nicht wirklich sicher". Deshalb klagt Schweizer zusammen mit anderen Bürgern aus der Region vor dem Verwaltungsgerichtshof in München.

Endlager: Terminverschiebung um Jahrzehnte

Sein Anliegen hat vor Kurzem noch einmal besondere Relevanz bekommen. Denn ein eigentlich internes Papier der Bundesgesellschaft für Endlagerung war an die Öffentlichkeit gelangt. Darin heißt es, dass das Datum für ein Endlager deutlich nach hinten verschoben werden muss.

Ein Standort in Deutschland wird nicht wie geplant 2031, sondern frühestens im Jahr 2046 gefunden sein. Bei einem langsameren Szenario ist sogar von 2068 die Rede. Danach muss das Endlager natürlich erst einmal gebaut werden, was etwa zwanzig Jahre dauert. Experten schätzen, dass der Transport der Castoren von den Zwischenlagern abermals zwei Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird.

Kritik aus dem Landratsamt

Günzburgs Landrat Hans Reichhart (CSU) ist enttäuscht und verärgert: "Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass auch wir in Deutschland Planungsprozesse können. Die Schweiz schafft es und hat ein Endlager gefunden, andere auch, nur wir ziehen es bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag nach hinten." Reichhart fordert vom Bund, mehr in Dialog mit den Kommunen zu treten. Seiner Ansicht nach sollte es eine Gegenleistung dafür geben, dass die Regionen die atomare Last länger schultern.

Dass es seit Jahren nur langsam vorangeht, hält Reichhart auch für politisch motiviert: "Jeder versucht, das wegzuschieben, damit er das nicht in seiner Amtszeit entscheiden muss. Insoweit bräuchten wir jemand, der sagt, wir haben eine Verantwortung für das radioaktive Material und finden jetzt eine Lösung." Doch warum verzögert sich die Suche nach einem Endlager überhaupt derart?

Alles auf Anfang

Mit dem Salzstock Gorleben glaubte man lange, ein Endlager gefunden zu haben. Doch 2020 wurde er als "geologisch nicht geeignet" ausgewiesen, die Suche begann von vorn. Weil die Bürger in Gorleben mehr oder minder vor vollendete Tatsachen gestellt worden waren und sich dagegen großer Protest regte, soll die Standortauswahl nun so transparent und nachvollziehbar wie möglich werden.

In einem ersten Schritt wurden 90 Teilgebiete ermittelt, die rund 54 Prozent der Fläche in Deutschland umfassen und wegen ihrer Bodenbeschaffenheit prinzipiell in Frage kommen. In einem zweiten Schritt werden nun wenige Standortregionen eingegrenzt, die dann übertägig und schließlich untertägig erkundet werden.

Sicherster Standort als Ziel

"Die Verzögerung ist für die Zwischenlager-Standorte sicher eine große Enttäuschung, das kann ich gut verstehen", sagt Dagmar Dehmer von der Bundesgesellschaft für Endlagerung. "Ob man es früher hätte kommunizieren können? 2031 war für uns eine Richtschnur, um überhaupt starten zu können. Alle wussten, das wird ein ziemlich sportliches Programm, aber man hat am Anfang all diese Prozesse schwer einschätzen können."

Oberstes Ziel der Bundesgesellschaft ist es, den geeignetsten Standort zu finden, an dem der Atommüll eine Million Jahre bleiben kann. Doch sind die Zwischenlager an den bayerischen Standorten in Gundremmingen, Grafenrheinfeld und Essenbach noch für eine jahrzehntelange Suchphase sicher?

Neue Genehmigungen

Die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung will die Genehmigung für die Zwischenlager, die beispielsweise in Gundremmingen 2046 ausläuft, durch Gutachter und Behörden verlängern lassen. "Es kommt nicht in erster Linie auf die Gebäude an. Der Schutz entsteht durch die Behälter, in denen die radioaktiven Abfälle aufbewahrt werden", sagt Stefan Mirbeth von der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung.

An die Castoren ist ein Überwachungssystem angeschlossen, das rund um die Uhr deren Dichtheit kontrolliert. "Der Behälter ist genehmigt für 40 Jahre. Wir wissen aber jetzt schon aus Erfahrung und Forschungsergebnissen, dass er länger hält und das Strahlungsmaterial sicher einschließen kann", betont Mirbeth. Sogar einem Flugzeugabsturz soll der Castor standhalten können. Für Kläger Kurt Schweizer in Offingen bleiben trotzdem Zweifel.

Zwischenlager "unter Beschuss"

"Das Restrisiko kann einem auch den Rest geben", sagt Schweizer. Schon 2004, also kurz nachdem das Bundesamt für Strahlenschutz das Zwischenlager in Gundremmingen genehmigt hatte, reichten fünf Personen aus der Nachbarschaft des Atomkraftwerks zusammen mit dem Verein "Forum, Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortliche Energiepolitik" Klage ein. Sie führte bis zum Bundesverwaltungsgerichtshof in Leipzig, blieb aber letztlich erfolglos. Andere Kläger in Schleswig-Holstein könnten sich Jahre später hingegen durchsetzen.

So betonte das dortige Oberverwaltungsgericht, dass es Defizite bei der Untersuchung der Folgen moderner panzerbrechender Waffen gebe. Nicht die tatsächliche Sicherheit des Zwischenlagers wurde kritisiert, aber die Methodik des Verfahrens. Die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager in Brunsbüttel wurde entzogen, der radioaktive Müll blieb mangels Alternativen trotzdem dort.

"Mir geht es darum, was passieren könnte, wenn ein Unfall eintritt", sagt Schweizer in Offingen und fügt hinzu: "Dann wird diese Gegend über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte belastet und nicht mehr bewohnbar sein." Die Klage am Verwaltungsgerichtshof in München wird voraussichtlich im Sommer oder Herbst verhandelt.

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